Die Logistik des Kriegswaffen-Transports führt die Bundeswehr durch, zentraler Ort dazu ist die in Garlstedt zwischen Bremen und Bremerhaven, aber in Niedersachsen befindliche Logistikschule des Heeres. Die Bundeswehr bezeichnet sich in diesem Zusammenhang als „Servicepartner“ der US-Armee und teilt stolz mit, dass die Bundeswehr „bei dieser US-Operation den norddeutschen Raum als logistische Drehscheibe für den Transport von über 4.000 US-Soldatinnen und Soldaten mit ihren Fahrzeugen und ihrer Ausrüstung“ nutzt. „Deutschland hat als Drehscheibe eine besondere Bedeutung, diese wollen wir wahrnehmen.“ Die Bundeswehr „stellt für die US-Armee Lagerkapazität und Betriebsstoffe, Unterkunft und Verpflegung, Instandsetzung, Transport- und Umschlag, Anlagen und Einrichtungen der Bundeswehr, Feldjägerunterstützung sowie die Transportsicherung innerhalb Deutschlands bereit.“ (3)
Die Dimension der Truppenverlegung wird deutlich, wenn man sich anschaut, was da per Bahn transportiert wird. Es sind ca. 900 Eisenbahn-Waggons mit Kriegsmaterial, das von Bremerhaven nach Polen verbracht wird, „umgerechnet“ ein Zug mit ca. 10 bis 14 km Länge. Dazu kommen noch ca. 600 Frachtstücke, die ebenfalls per Bahn vom Truppenübungsplatz Bergen-Hohne nach Polen transportiert werden. Und es gibt ca. 40 Fahrzeuge, die direkt auf der Straße von Bremerhaven nach Polen fahren.
Das Ganze nennt sich „Atlantic Resolve“, ist aber keine Übung oder ein Manöver, sondern es handelt sich um eine permanente Verlegung des US-Kriegsgerätes nach Osteuropa. Nach 9 Monaten soll die gesamte Kampfbrigade durch eine gleichstarke neue Brigade ausgewechselt werden. Warum diese Rotation der Kampftruppen? Offiziell hat dies militärische Gründe, doch dahinter steckt auch, dass die NATO-Russland-Akte (von 1997) (4) explizit ausschließt, dass in Osteuropa „substantielle Kampftruppen dauerhaft stationiert“ werden. Genau dies geschieht aber derzeit, die Rotation ist dabei nur Trickserei.
Und: es ist auch nicht die einzige Truppenverlegung, die 2017 vonstatten gehen wird. Auch noch im Januar findet die Militäroperation „Bison Drawsko“ statt. Im Rahmen dieser Militäroperation wird eine niederländische Brigade ebenfalls via Bremerhaven nach Polen bewegt. Und Anfang Februar folgt die permanente Stationierung der 1.800 Soldaten starken 10. Heeresfliegerkampfbrigade (10th Combat Aviation Brigade) aus dem US-Bundesstaat New York. Es handelt sich dabei um eine Kampfhubschrauberbrigade mit 10 Chinook- und 50 Blackhawk-Hubschraubern. Neues Hauptquartier der Einheit wird das mittelfränkische Illesheim, stationiert werden sollen die Kampfhubschrauber in Lettland, Rumänien und Polen. (5)
Die Obama-Administration hatte für diesen Truppenaufmarsch noch das Budget für die Truppenpräsenz in Europa im Rahmen der 2014 gestarteten European Reassurance Initiative (ERI) auf insgesamt 3,4 Milliarden US-Dollar vervierfacht. (6)
Auch die Bundeswehr wird ab Februar bis zu 500 Soldaten mit 26 Panzern und etwa 170 weiteren Militärfahrzeuge in Litauen dauerhaft (s.o.) stationieren. Nach Ansicht der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sei diese Maßnahme „genau angemessen“ und „defensiv“. (7)
Die jetzige Truppenverlegung der NATO-Staaten hat auch etwas mit konkreten Kriegsszenarien zu tun. Ein zentrales Kriegsszenario ist die so genannte „Lücke von Suwalki“, die die NATO entdeckt haben will. Was hat es damit auf sich? Das Grenzgebiet zwischen Polen, Litauen und Kaliningrad, in der Nähe der polnischen Stadt Suwalki, sei bei einer militärischen Auseinandersetzung der NATO-Staaten mit Russland nicht von der NATO zu halten, deshalb sei eine dauerhafte Stationierung von umfangreichen NATO-Truppen in den baltischen Staaten vonnöten. (8) Entsprechend kommt als Begründung für die Truppenverlegung „Stärke zeigen“, „Abschreckung gegenüber Russland“ etc.
Politisch wurde diese Truppenverlegung beim NATO-Gipfel im Juni 2016 in Warschau beschlossen. (9) Die CDU/CSU/SPD-Bundesregierung hat diesen Beschluss explizit mitgetragen. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigte sich dennoch „besorgt“ ob dieser Aufrüstung. Friedensgruppen und DIE LINKE organisierten gleich zu Beginn des Jahres 2017 Protestdemonstrationen und -kundgebungen unter anderem in Bremerhaven, direkt bei den Fährschiffen mit dem ausgeladenen Kriegsgerät, beim Kloster Lehnin (beim dortigen Truppenübungsplatz der Bundeswehr, der als Zwischenstation genutzt wurde für die Truppenverlegung), in Frankfurt (Oder), Fürstenwalde und anderen Orten.
Offiziell heißt es, die NATO-Aufrüstung sei eine Konsequenz aus der Ukraine-Krise. De facto läuft damit eine heftige Aufrüstungsspirale, auch Russland stationiert immer mehr Truppen an seiner Grenze, aber innerhalb Russlands. „Das Ergebnis ist das größte Nato-Aufrüstungsprogramm seit dem Kalten Krieg“ (10) heißt es in einem Pressebericht. Diese Aufrüstung und diese Truppenverlegungen müssen gestoppt werden. Die Militärtransporte und die logistische Unterstützung durch die Bundeswehr für diese Aufrüstung werden weiter gehen, hoffentlich die Proteste dagegen auch.
Eine gekürzte Fassung dieses Artikels wird in Disput 1-2017 erscheinen.
Anmerkungen
(1) http://www.eur.army.mil/organization/factsheets/Factsheet_AtlanticResolve.pdf
(2) https://www.welt.de/politik/ausland/article153831492/USA-verlegen-Kampfbrigade-nach-Osteuropa.html
(3) http://www.presseportal.de/pm/114358/3510308
(4) http://www.nato.int/cps/de/natohq/official_texts_25468.htm
(5) http://www.bundeswehr-journal.de/2017/operation-atlantic-resolve-staerkung-der-nato-ostflanke/
(6) https://www.heise.de/tp/features/Pentagon-stockt-Truppen-in-Europa-auf-3457587.html
(7) http://www.n-tv.de/politik/Deutschland-treibt-Aufruestung-im-Osten-an-article18942856.html
(8) https://www.welt.de/politik/ausland/article156917494/Die-Luecke-von-Suwalki-ist-die-Achillesferse-der-Nato.html
(9) http://nato.int/cps/en/natohq/news_132356.htm
(10) http://www.n-tv.de/politik/Bundeswehr-schickt-26-Panzer-nach-Litauen-article19329441.html
Quelle