Die Europäische Union plant mit Hilfe deutscher Firmen eine drastische Verschärfung ihres schon jetzt exzessiven Grenzregimes. Vorgesehen ist, in jedem Mitgliedstaat sogenannte Nationale Kontrollzentren zur Flüchtlingsabwehr einzurichten und diese mit der EU-Fluchtabwehrbehörde FRONTEX zu vernetzen. Besonderer Beobachtung will Brüssel diejenigen Gebiete unterwerfen, die den Außengrenzen „vorgelagert“ sind; mit Hilfe modernster Überwachungstechnologie sollen „neue Migrations-Trends“ sowie angebliche „Risiken“ und „Bedrohungen“ an den Grenzen identifiziert werden. Planungsgrundlage ist eine Studie, die von der deutschen Elektroniksystem- und Logistik-GmbH (ESG) durchgeführt wird. Der transnational operierende Rüstungskonzern zählt den Bereich „Spionagetechnik“ („Intelligence“) zu seinen zentralen Geschäftsfeldern. Bereits seit vier Jahrzehnten fungiert die ESG als Dienstleister für die bundesdeutsche Polizei und die Bundeswehr. Das Unternehmen entwickelt sowohl Überwachungssysteme für Hubschrauber als auch elektronische „Feuerleitstellen“, die der deutschen Artillerie den Beschuss von feindlichen Kräften ohne direkte Sichtverbindung ermöglichen.

Totalüberwachung
Wie die Elektroniksystem- und Logistik-GmbH (ESG) berichtet, plant die EU den Aufbau eines „Europäischen Grenzüberwachungssystems“ (EUROSUR) zur „Verhinderung unerlaubter Grenzübertritte“. Planungsgrundlage ist laut der ESG eine „Technische Studie“, welche die „Entwicklung von Konzepten für eine Grenzüberwachungsinfrastruktur, ein sicheres Kommunikationsnetz und ein Informationsbild des Grenzvorbereichs“ beinhalten soll. Mit der Durchführung der Studie wurde das Unternehmen von der EU-Kommission beauftragt. Der ESG zufolge sollen „nationale Überwachungssysteme an Land- und Seegrenzen unter Berücksichtigung modernster Technologien und Technologiestandards“ aufgebaut oder erweitert werden.[1]
Nationale Kontrollzentren
Ziel sei es, in jedem EU-Mitgliedstaat „Nationale Kontrollzentren“ zur Flüchtlingsabwehr einzurichten, um dort Zoll, Polizei, Grenzschutz, Küstenwache und Militär „unter dem Dach einer gemeinsamen Koordinationszentrale“ zu vereinen, schreibt das Unternehmen. Die „Nationalen Kontrollzentren“ wiederum, die militärische und nichtmilitärische Repressionsapparate auf nationaler Ebene verkoppeln, sollen nach Angaben der ESG über ein „sicheres Kommunikationssystem“ mit der Grenzbehörde FRONTEX EU-weit vernetzt werden. Der Fokus der angestrebten Totalüberwachung liege auf den Territorien, die den eigentlichen Staatsgrenzen „vorgelagert“ seien, heißt es bei der Firma; die von ihr vertriebenen elektronischen Spionageprogramme ermöglichten es, „neue Migrations-Trends, Risiken und Bedrohungen für die EU-Außengrenzen frühzeitig zu identifizieren“.[2]
Spionageservice
Die Entwicklung von Spionagetechniken („Intelligence“) zum Zweck „behördlicher Nachrichtengewinnung“ und „militärischer Aufklärung“ zählt nach eigenen Angaben zu den zentralen Geschäftsfeldern der ESG. Die besondere Herausforderung liege dabei „im zeitgerechten Auffinden von relevanten und qualitativ hochwertigen Informationen über eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen hinweg“: Nur ein „modernes und effizientes Informationsmanagement“ bringe sogenanntes handlungsfähiges Wissen („Actionable Intelligence“) hervor, heißt es.[3] So ermöglicht etwa das von der ESG vertriebene „Interaktive System zur Informationserschließung“ (ISIE) nicht nur die Ermittlung der jeweils benötigten Daten und Fakten, sondern auch das Herstellen logischer Zusammenhänge. ISIE recherchiere darüber hinaus „intelligent“ im sogenannten „deep web“, den für herkömmliche Suchmaschinen nicht zugänglichen Bereichen des Internet, lässt die ESG wissen. Auf diese Weise sei es möglich, ein umfassendes, „um Intelligence angereicherte(s) relevante(s) Lagebild“ zu generieren [4], „die Situationsüberwachung zu verbessern und die Reaktionszeiten für die nationalen Einsatzkräfte zu verkürzen“ [5]. ISIE soll auch bei der Flüchtlingsabwehr zum Einsatz kommen.
Geo-Recherche
Zur Abwehr von Flüchtlingen und Migranten soll außerdem das von der ESG entwickelte „Geodaten-Managementsystem Geobroker“ genutzt werden. Es ermöglicht die gezielte Recherche nach allen weltweit verfügbaren topographischen Informationen ebenso wie die automatisierte Auswertung von Luft- und Satellitenbildern.[6] Die so generierten Daten könnten dann mittels mobiler Computersysteme den zur Grenzabschottung abgestellten „Einsatzkräften“ von Militär und Polizei an jedem Ort zur Verfügung gestellt werden, erklärt die ESG.[7]
Ohne Sichtverbindung
Über entsprechende Schnittstellen kann „Geobroker“ mit anderen Informationstechnologieprodukten aus dem Hause ESG gekoppelt werden – etwa mit dem „Leitsystem Taranis“. Dieses ermöglicht die Darstellung von Objekten aller Art auf digitalen Karten; erfasst werden „Eigen- und Fremdpositionen“, „Ziele“, „Spuren“, „Bewegungsprofile“, „Verbindungslinien“ sowie Fahrt- und Transportrouten.[8] „Taranis“, das ebenso wie „Geobroker“ im Rahmen der Grenzüberwachung und -abschottung zum Einsatz kommen soll, findet unter den Bezeichnungen „Adler“ und „DVA II“ bereits Verwendung bei der Bundeswehr. Wie ESG mitteilt, ermöglicht es der deutschen Artillerie den Beschuss von feindlichen Kräften „ohne direkte Sichtverbindung“.[9]
Dual Use
Nach eigenen Angaben fungiert die ESG bereits seit mehr als vier Jahrzehnten als Dienstleister der bundesdeutschen Streitkräfte und Repressionsbehörden und hat in dieser Zeit stark expandiert. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 1.200 Mitarbeiter und verweist auf einen Jahresumsatz von 202 Millionen Euro. Zu seinen Gesellschaftern zählen die deutsch-europäischen Waffenschmieden EADS, Thales sowie Rohde und Schwarz, aber auch der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman.[10] „Dual use“, die Verwendung von Hochtechnologie für militärische wie vermeintlich zivile Zwecke, ist fester Bestandteil der Firmenphilosophie, die im „Leitbild“ des Unternehmens festgeschrieben wurde: „Mit unserem wechselseitigen Technologietransfer zwischen militärischen und zivilen Projekten potenzieren wir unsere Leistungsfähigkeit.“[11] So produziert die ESG auch „Unmanned Aerial Vehicles“ (UAVs), sogenannte Drohnen, die laut der Firma einerseits „eine immer wichtigere Rolle in der militärischen Luftfahrt“ spielen und andererseits „für die zivile Nutzung ein enormes Potenzial“ bieten – zum Beispiel bei der „Überwachung von Grenzen“.[12]
[1], [2] ESG führt EU-Studie zu Grenzüberwachung durch. Pressemitteilung der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH 19.10.2009
[3], [4] Intelligence; www.esg.de
[5] Geo-IT querschnittlich nutzen; Spektrum 2/2009
[6] Geo-IT-Lösungen; www.esg.de
[7] ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH: Mobile Geodatenversorgung (Produktinformation)
[8] ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH: TARANISMOBILE – das hochmobile Leitsystem (Produktinformation)
[9] Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung; www.esg.de
[10] Facts and Figures; www.esg.de
[11] Leitbild; www.esg.de
[12] ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH: UAV-Technologien (Produktinformation)

 Diesen Bericht vom 04.12.09 entnahmen wir www.german-foreign-policy.com