Die Bundeswehr ist mittlerweile weltweit im Kriegseinsatz. Immer mehr Soldaten werden für gefährliche Auslandseinsätze benötigt. Auch im Inland will die Armee mehr Aufgaben übernehmen. Dafür braucht sie zum einen neue Rekruten für weltweite Interventionen, zum anderen muß die Armee noch fester in der Gesellschaft verankert werden. In Schulen und Universitäten gehen Jugendoffiziere auf die Jagd nach neuen Soldaten. Arbeitslose werden vom Amt gedrängt, auf Jobmessen den Stand der Armee zu besuchen. Perspektivlosigkeit treibt vor allem junge Menschen zur monatlich stattfindenden Wehrdienstberatung ins Arbeitsamt. Der Versuch einer Militarisierung der Gesellschaft schreitet voran: mit »KarriereTreff« und »Bundeswehr-Olympix«.
»KarriereTreff Bundeswehr«
Seit August 2006 tourt der »KarriereTreff« der Bundeswehr wie ein Zirkus durch die Republik. Bis dahin hatten die drei Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe in eigenen Ausstellungen getrennt voneinander geworben. Der »KarriereTreff« diene dazu, sich als ein Arbeitgeber darzustellen, heißt es dazu auf der Homepage der Armee. Das Zentrale Messe- und Eventmarketing der Bundeswehr (ZeMEMBw) steuert die Einsätze des »KarriereTreffs«.
Das Zentrum des rollenden Informationszirkus besteht aus dem »KarriereTruck«, einem großen, in zivilem blau lackierten Mercedes-Sattelschlepper mit begehbarem Auflieger. »Sichern Sie sich einen von 20000 Arbeitsplätzen«, steht darauf in großen Lettern geschrieben. Über dem Eingang prangt ein dumpfes Wortspiel: »Entschieden gut. Gut entschieden.« Dahinter das zentrale Motto der Propagandaveranstaltungen: »Bundeswehr: Karriere mit Zukunft«. In dem Truck befinden sich Broschüren, DVDs und anderes Werbematerial zum Mitnehmen. An Touch-Screen-Monitoren können sich die potentiellen Rekruten über Jobs bei der Armee informieren. Zudem geben Soldaten und Wehrdienstberater den meist jungen Besuchern Auskunft. Neben dem »KarriereTruck« befindet sich meist der »KinoTruck«. In ihm können sich bis zu 32 Zuschauer dank modernster Multimediatechnik von Armeefilmen berieseln lassen.
Da die Bundeswehr mit ihrem »KarriereTreff« bewußt junge Leute ansprechen will, sind fast immer die Bundeswehr-Kletterwand »TopFit«, das Bundeswehr-Quiz »Auf Zack!« und Segways einachsige Funsportvehikel mit auf Tour. Ein High-Tech-Flugsimulator läßt an einen Jahrmarkt erinnern. Wer sich nicht darin durchschütteln lassen will, kann auf dem »Motorrad der Feldjäger« Platz nehmen. Eine Tafel neben der eleganten silberfarbenen Maschine weist die Motorleistung aus, auf einer zweiten wird die Laufbahn »Eskortenfahrer/-in« geschildert. Eine mobile Bühne gehört ebenfalls zum Repertoire des »KarriereTreffs«. Und natürlich das Personal: Rund 30 Soldatinnen und Soldaten, davon einige erfahrene Wehrdienstberater und Jugendoffiziere, sind auf jedem Treff dabei.
Das ist jedoch noch längst nicht alles. Um die Propagandashow noch erfolgreicher zu gestalten, sind bei jedem Einsatz Bundeswehrfahrzeuge präsent. Beispielsweise landete beim ersten »KarriereTreff« diesen Jahres ein UH-1D-Hubschrauber auf dem Domplatz im westfälischen Münster. Am 22. Mai sollten ein »Fuchs«-Spürpanzer und ein Sanitätsunimog Neugierige ins ostwestfälische Gütersloh ziehen. Schon im vergangenen Jahr lockten Panzer, Luftabwehrraketen-Stellungen und anderes militärisches Großgerät zu den »KarriereTreffs«. Den Vorwurf, die Bundeswehr ködere die Jugendlichen über deren Technikbegeisterung, weist die Armee zurück: »Jeder Arbeitgeber stellt sich so gut wie möglich dar«, erklärte Pressesprecher Major Kai Gudenoge beim »KarriereTreff« in Münster. Auch die Bundesregierung weist den Vorwurf des »Köderns« zurück. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke vom 29. Januar 2008 heißt es: »Der Einsatz von Exponaten erfolgt zur authentischen Darstellung entsprechender Arbeitsplätze der Streitkräfte.« Die Zielgruppe laut Armee alle Männer und Frauen im »wehrfähigem Alter«, d.h. ab 18 Jahre, und besonders Jugendliche scheinen sich trotzdem besonders wegen der ausgestellten Technik für die Truppe zu begeistern und von ihr angezogen zu werden und ver gessen dabei schnell, daß es sich um mörderische Waffensysteme handelt. Das gilt natürlich in besonderem Maße für Kinder.
Der »KarriereTreff« der Bundeswehr tourte 2006, dem Jahr seiner Indienststellung, durch fünfzehn Städte. Im Jahr 2007 steuerte der Bundeswehr-Zirkus schon vierzig Ziele an. Auch in diesem Jahr sollen vierzig Städte bereist werden. Gezielt werden dabei lokale Ereignisse aufgegriffen. So nutzte die Armee das Landesturnfest in Gütersloh, um sich gleich neben den Sporteinrichtungen zu präsentieren. Tausende me ist minderjährige Sportl er und Kinder wurden von den olivgrünen Häschern mit Propaganda zugeschüttet und durften im Spürpanzer probesitzen. Auch das Hafenfest in Stuttgart und die Hansesail in Rostock werden in diesem Jahr keine rein zivilen Veranstaltungen sein. Die Werbemaßnahmen dauern je nach Einsatzort bis zu sechs, in der Regel aber drei Tage.
Die Bundeswehr scheut für ihre Propagandamaßnahmen weder Kosten noch Mühen: Die durchschnittlichen Ausgaben pro Einsatz belaufen sich laut Regierungsauskunft auf etwa 31200 Euro. Gesamtkosten für den »KarriereTreff« der Bundeswehr 2008: 1,3 Millionen Euro.
»Bw-Olympix«
Seit 2002 veranstaltet die Armee alle zwei Jahre in der Sportschule der Bundeswehr im nordrhein-westfälischen Warendorf die »Bundeswehr-Olympix«. Rund 1200 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren nehmen an den Wettkämpfen teil. Unter der Schirmherrschaft des Verteidigungsministers treten die rund 240 Teams in mittlerweile vier Disziplinen Beachvolleyball, Beachhandball, Minisoccer und Streetball gegene inander an. Die Teilnahme ist kostenlos, Anreise, Verpflegung, Unterbringung und Rahmenprogramm zahlt die Armee. Für viele Jugendliche ist das Gratisevent gerade in Zeiten zunehmender Armut ein willkommener Freizeitspaß. Doch bei den »Bw-Olympix« (Motto: »Meet&Compete«) geht es nicht nur um sportlichen Wettkampf. »Wir wollen mit den Jugendlichen über den Sport ins Gespräch kommen« erklärte Oberstleutnant Jürgen Mertins bei den »Bw-Olympix 08«, die vom 30. Mai bis 1. Juni stattfanden. Er bedauert zudem, daß einige Jugendliche noch nie einen Soldaten in Uniform gesehen hätten. Dies sei auch der Grund, weshalb sich zwischen den Wettkampfstätten Panzer, Hubschrauber und andere militärische Gerätschaften reihen, so Mertins. Neben dem Sport konnten sich die Jugendlichen in diesem wie auch in den vergangenen Jahren beim Wehrdienstberater über eine »Karriere« bei der Armee informieren oder gleich in den ausgestellten Kampfpanzer vom Typ »Leopard 2« einsteigen. Auch ein »Fennek«-Spähpanzer wurde wie die anderen Ausstellungsstücke mit voller Ausrüstung samt geladenem Granatwerfer und funktionstüchtiger Aufklärungsdrohne eigens für das »Sportevent« nach Warendorf gekarrt. Die Panzerbesatzungen standen für Fragen bereit und erklärten den jungen Menschen bereitwillig die komplizierte Technik der teuren Armeefahrzeuge. Neben den Panzern wurden Sanitätsfahrzeuge, Truppentransporter und Fahrzeuge der Militärpolizei ausgestellt. Auch ein UH-1D-Helikopter stand auf dem Bundeswehrgelände. Die Marine präsentierte sich mit einem eigenen Infowagen und einem Flugsimulator. Auch die Eliteeinheit SEK Marine und die Kampfschwimmer stellten auf dem Gelände aus. Bei einer Übung zeigten Marinetaucher im Schwimmbecken ihr martialisches Können. Bei der Vorführung in Warendorf planschten die Taucher allerdings nur um eine Seemine.
Bei den »Bw-Olympix« wie auch bei anderen öffentlichen Veranstaltungen stellt sich die Bundeswehr gerne als rein defensive und beschützende Kraft dar, Kampfe insätze werden nicht thematisiert. Statt dessen sorgte am Abend der »Bw-Olympix 08« di e Liveband »Funky Craps« für sorgenfreie Stimmung auf der Veranstaltung. Bei der Modenschau »Dance Factory« wurde am Folgeabend die neueste Tarnkleidung präsentiert. Auch die BigBand der Armee war anwesend. Tagsüber standen zwischen den Wettkämpfen deutsche Spitzensportler, die zugleich Armeeangehörige sind wie beispielsweise die Fußball-Nationalspielerin Kerstin Stegemann für Gespräche zur Verfügung. Die Armee ließ sich das Propagandawochenende mit zivilem Touch einiges kosten, die Regierung veranschlagt die Veranstaltung mit 300000 Euro also rund 250 Euro pro Teilnehmer.
In den Jahren 2005 und 2007, in denen keine »Bw-Olympix« stattfanden, veranstaltete die Bundeswehr das »Bw-Beachen«. Ausscheidungswettkämpfe in Wilhelmshaven und München führten einige Jugendliche zum Finale nach Warendorf. Das Bundeswehr-Beachvolleyball-Turnier ist zwar kleiner als die Bundeswehr-Olympiade, aber nicht weniger mit Propaganda gespickt. Für alle Jugendsportevents der Armee gilt übrigens: Teilnahme nur mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Messe- und Eventmarketing
Auch auf Messen läßt sich die Bundeswehr immer öfter blicken. Auf insgesamt 41 Fachmessen möchte sich die Armee 2008 präsentieren dabei scheint das Thema unwichtig. Egal ob bei der Kasseler Frühjahrsausstellung, dem Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie oder der Messe »Heim und Handwerk« in München die Bundeswehr ist immer zur Stelle. Fraglich ist, warum die Messeleitungen einen vollkommen fachfremden Aussteller wie die Bundeswehr überhaupt auf ihren Veranstaltungen zulassen. Es geht der Armee bei ihren Messeständen neben dem Anwerben einfacher Rekruten aber auch um qualifizierte Fachkräfte. Die Olivgrünen sind auf Jugendmessen wie der Berliner YOU oder der Computerspiele-Messe »Games Convention« in Leipzig vertreten, aber auch auf der Fachmesse der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin im Dezember in Hamburg. Der Bundeswehr werden 2010 laut Eigenangaben rund 400 Ärzte fehlen.
Nicht zuletzt geht es der Bundeswehr aber vor allem darum, präsent zu sein und sich ins öffentliche Bewußtsein zu drängen. Daher ist die Armee 2008 nicht nur auf zahlreichen Fachmessen, sondern auch auf unzähligen Jobmessen vertreten. Wie beim »KarriereTreff« tritt die Bundeswehr auch bei Messen mit moderner Technik auf: Flachbildschirme zieren die Messestände. Meist sind auch einige der 94 Jugendoffiziere mit von der Partie und bereit, mit den jungen Messebesuchern vermeintlich »auf Augenhöhe« zu reden.
Das Zentrum für Nachwuchsgewinnung (ZNwG) setzt für das Messe- und Eventmarketing jedoch nicht nur einen Messestand, sondern auch einen Infotruck ein. Der Lastwagen hat ähnlich dem KarriereTreff-Truck einen begehbaren Auflieger, in dem Beratungen durchgeführt werden können und Broschüren ausliegen. Auch ein Infomobil steht für den Einsatz auf Messen zur Verfügung. 611 Einsätze sind für Infotruck, Infomobil und Messestand im Jahr 2008 geplant Orte in der ganzen Bundesrepublik sind Ziel dieser Reklameeinsätze.
Im Arbeitsamt und im Web
»Die Bundeswehr bietet für einige Jugendliche eine Beschäftigungsalternative. Für andere wiederum ist sie ein aktuelles Thema, weil in absehbarer Zeit der Grundwehrdienst ansteht. Die vielen Fragen, die in beiden Fällen auftauchen können, beantwortet im Mai wieder individuell und fallbezogen Wehrdienstberater Thomas Wischmeier im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Agentur für Arbeit Ahlen ()«. Diese kurze Notiz stand am 13. Mai 2008 wie jeden Monat in der konservativen Lokalzeitung Westfälische Nachrichten. Die Bundeswehr nistet sich in immer mehr Arbeitsagenturen ein. In der ehemaligen Bergwerksstadt Ahlen in Westfalen findet monatlich mindestens eine Bundeswehr-Veranstaltung statt. Die hohe Arbeitslosigkeit und besonders die Perspektivlosigkeit junger Menschen spielen den Militärs dabei in die Hände. Doch nicht nur Beratungen führt die Armee in den Agenturen durch: Auch zu Vorträgen über den Soldatenberuf lädt die Bundeswehr ein. In bundesweit elf Arbeitsagenturen unterhält die Armee eigene Büros, in 204 Agenturen finden regelmäßig Rekrutierungsveranstaltungen statt.
Unter den zahlreichen Websites der Bundeswehr finden sich gleich zwei, die ausschließlich zur Nachwuchsrekrutierung eingerichtet wurden. Der Indizierung der Bundeswehr-Werbehomepage treff.Bundeswehr.de konnte die Armee im Jahr 2002 entgehen; einige Pädagogen und Publizisten hatten beim Jugendministerium einen Verbotsantrag wegen Verharmlosung des Kriegshandwerks gestellt. Judith Gerlach vom Bundesministerium wiegelte damals gegenüber dem Online-Magazin heise.de ab: »Die Ernsthaftigkeit des Soldatenberufes wird bei allen Textinformationen und in den Videoclips deutlich betont«. Die bunte Website, die sich laut Bundeswehr an Jugendliche von 14 bis 17 Jahren wendet, bietet ein reichhaltiges Entertainment-Angebot. Unter der Rubrik treff.info werden auf Jugendliche zugeschnittene Meldungen rund um die Armee geliefert vor allem euphorische Erlebnisberichte, aber auch Interviews mit begeisterten einfachen Soldaten. Videos von Panzern und Flugzeugen sowie Datenblätter von Maschinengranatwerfern und anderem Kriegsgerät können sich die jungen Menschen unter treff.media anschauen. Militärische Wallpaper, Handy-Klingeltöne und Logos, Stundenpläne und Kalender stehen zudem zum Download bereit. Auch die infopost, die Anwerbezeitung der Bundeswehr für junge Leute, und Poster können kostenlos bestellt werden. Für weitere Informationen gibt es die Unterrubrik Buchtipps natürlich nur für unkritische und kriegsverherrlichende Bücher. In der Rubrik treff.aktiv können die Jugendlichen Online-Computerspiele spielen: Das Bundesministerium für Verteidigung »verfolgt den konzeptionellen Ansatz, daß Computerspiele hier ein gutes Mittel sind, um Erstinformationen zur Bundeswehr mit eher spielerischen Aspekten und Unterhaltung zu verbinden. Unter den vier eingestellten Spielen ist kein Spiel, das aktiv militärisches Handwerk oder Ausrüstungsgegenstände der Bundeswehr aufgreift. (…) Die Spiele werden von der Zielgruppe besonders gut angenommen«, erklärte 2002 das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Heute stehen auf der Website bereits elf Spiele, aber schon damals wurde, entgegen der Aussage des Ministeriums, militärische Ausrüstung spielerisch verwendet. »Luna-Mission« heißt ein Spiel in dem der Nutzer per Maus eine Aufklärungsdrohne vom Typ Luna über ein Areal steuern und dabei feindliche Einheiten erspähen muß. Die Drohne ist unter anderem auch in Afghanistan im Einsatz. Weiter bietet treff.aktiv Gewinnspiele, Foren und eine Pinnwand an: »Du willst ein Referat über Bundeswehr, Sicherheitspolitik oder NATO schreiben? Du brauchst unsere Hilfe? Hier findest du deine Informationen (…)«, heißt es dort. Detaillierte Informationen zum Soldatenberuf finden sich in der vorletzten Rubrik: treff.inside. Hier wird das Kriegshandwerk unkritisch und beschönigend dargestellt. Doch die treff.Bundeswehr-Website ist nicht nur ein offenes Werbeportal,sondern auch eine Online-Community. Unter my.treff kann sich jeder nach der Registrierung mit Freunden über die Armee austauschen und von zahlreichen Angeboten, beispielsweise Bundeswehr-Freizeitaktivitäten, profitieren. Dazu müssen die jungen Menschen neben Name und Adresse auch Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, derzeitige Tätigkeit, angestrebten oder erreichten Schulabschluß usw. angeben, eben alle wichtigen Information, die die Armee zur Rekrutierung benötigt. Wer Lust hat, kann an Werktagen auch live am Bildschirm mit Wehrdienstberatern chatten.
An ältere Jugendliche bis 25 Jahre wendet sich die Website bundeswehr-karriere.de. Gleich auf der ersten Seite muß sich der User zwischen militärischer und »ziviler« Karriere entscheiden. Die nachfolgenden Seiten sind auf die Zielgruppe ausgerichtet und weniger bunt und reißerisch als die treff.Bundeswehr-Website. Doch das Ziel ist das gleiche: die Nachwuchsgewinnung. Ein Terminkalender macht auf Wehrdienstberatungen aufmerksam. Broschüren stehen zum Download bereit. Für Ungeduldige ist sogar eine Online-Bewerbung möglich. Dabei gilt: Auch für eine scheinbar zivile Karriere muß die Soldatenlaufbahn beschritten werden.
Die Bundeswehr geht dahin, wo sich ihr potentieller Nachwuchs in der Freizeit bewegt, ins Internet. Mit verlockenden Entertainment-Angeboten werden die Jugendlichen angelockt, um sie später zu rekrutieren. Die Armee wird einseitig präsentiert, Kritik wird ausgeblendet.
In Bildungsstätten und Medien
»Ibbenbürener Schüler haben Weltpolitik fest im Blick«, titelten die Westfälischen Nachrichten über das Simulationsspiel »POL&IS«. Drei Tage lang seien 49 Schüler der elften Jahrgangsstufe des Städtischen Johannes-Kepler-Gymnasiums in die Rollen »mächtiger Staatsoberhäupter« geschlüpft. Das Spektakel fand Anfang Februar in Ibbenbüren (Tecklenburger Land) statt. Initiiert wurde das Rollenspiel vom Lufttransportkommando der Bundeswehr. Organisationsleiter war Jugendoffizier Hauptmann Burghard Rosen. Nicht nur für kriegerische Rollenspiele besuchen Jugendoffiziere Schulklassen, auch Infostände auf dem Schulhof gehören heute zum Standardrepertoire der Olivgrünen. Auch das Infomobil eine kleinere Version des KarriereTrucks steuert Schulen an. Auch scheut sich die Bundeswehr nicht davor, Schulen anzuschreiben, um sie auf Aktivitäten der Armee, wie beispielsweise einen »KarriereTreff« vor Ort oder die »Bw-Olympix«, aufmerksam zu machen. Dabei liegt es jedoch in den Händen der Schulleitung, diese Informationen an die Lehrer weiterzugeben Schulkl assen werden nicht direkt angeschrieben. Die Lehrkräfte fallen meist auf die Militärpropaganda herein so lobte auch die Lehrerin der Ibbenbürener Schulklasse das Bundeswehr-Rollenspiel, ohne sich Gedanken über die Hintergründe eines solchen an militärischem Denken orientierten Politikunterrichts zu machen.
Doch läuft die Armee nicht nur gezielt Schulen an, sie wirbt auch breitenwirksam mit Werbeanzeigen in Schülerzeitungen. Spießer, die größte Jugendzeitschrift Deutschlands, hat eine Auflage von einer Million Exemplaren und erscheint fünfmal jährlich gratis an bundesweit über 15000 Schulen und Freizeiteinrichtungen. Ein Kommunikationsmittel, das die Bundeswehr längst für sich entdeckt hat. Im Juni 2007 warb das deutsche Militär gleich auf einer ganzen Seite für ein kostenloses Abonnement der Rekrutierungszeitschrift infopost: »Gratis abonnieren und iPod gewinnen.« In zwei Ausgaben hintereinander, September und November 2007, warb die Armee auf einer ganzen Seite für eine militärische »Karriere« der jungen Leser.
Auch in der aktuellen Informationszeitschrift der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für das Wintersemester 2008/2009, die vor allem für Abiturienten interessant ist, wirbt die Armee ganzseitig: »Sie suchen einen interessanten Beruf mit Führungsverantwortung und nicht alltäglichen Herausforderungen? (…) Bewerben Sie sich jetzt als Offizier!«
Auch in anderen Publikationen wirbt die Armee verstärkt um Nachwuchs und erreicht mit ihren teuren Anzeigen genau die gewünschte Zielgruppe der potentiellen Soldaten.
Propagandistische Großoffensive
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Bundeswehr sich auf einem immer professioneller geführten Rekrutierungsfeldzug befindet. Die Schlacht wird im öffentlichen Raum ausgetragen; Kinder und Jugendliche sind das primäre Ziel des Propagandaangriffs. Attraktive Online-Angebote sollen ein gutes Licht auf das Militär werfen. Schulen und Arbeitsämter geraten vermehrt ins Fadenkreuz der olivgrünen Häscher. Mit spektakulären Aktionen und einem technischen Großaufgebot wirbt die Armee bei ihren KarriereTreffs um Sympathie und um Rekruten. Die Presse macht sich oft zum Komplizen, indem sie unkritisch berichtet und dadurch der Bundeswehr Schützenhilfe leistet. Alle Maßnahmen der Armee im öffentlichen Raum tragen zur fortschreitenden Militarisierung der Gesellschaft bei noch steht ein Großteil der Bevölkerung den Armeeeinsätzen im In- und Ausland ablehnend gegenüber. Damit dies auch so bleibt, ist dem olivgrünen Treiben entschlossener Widerstand entgegenzusetzen. Antimilitaristische Aktionen bei KarriereTreffs, vor Arbeitsämtern und Schulen haben gezeigt, daß die Bundeswehr den Kritikern vor Ort argumentativ nichts entgegenzusetzen hat.
Michael Schulze von Glaßer studiert Philosophie und Geschichte an der Universität Münster. Er ist Mitherausgeber der Monatszeitung Graswurzelrevolution und der Jugendzeitung Utopia.
(c) Junge Welt 2008