Deutschland ist der zentrale Stützpunkt für die NATO-Kriegslogistik, wie das Bundesverteidigungsministerium stolz verkündet: „Mit acht permanenten NATO-Einrichtungen ist Deutschland wichtigstes Gastland von integrierten Dienststellen der Allianz. Fünf der insgesamt 14 Kommandobehörden haben ihren Sitz in Deutschland.“[1]
Die meisten dieser NATO-Einrichtungen sind Zwitter, sie erfüllen nicht nur Aufgaben im Rahmen der NATO, sondern entweder auch für die Europäischen Union oder, wie im Fall des European Command (EUCOM), für die US-Streitkräfte: „Die wichtigste Aufgabe des United States European Command in seiner Unterstützung der NATO besteht darin, kampfbereite Truppen zur Unterstützung der US-Beiträge für das NATO-Bündnis zur Verfügung zu stellen. Obwohl die Planungen für NATO-Konflikte die erste Priorität des EUCOM sind, werden auch unilateralen und multilateralen Planungen für Ernstfälle Beachtung geschenkt.“[2] Tatsächlich ist die Funktion des EUCOM im Rahmen der US-Militärplanung mindestens ebenso wichtig wie die im Rahmen der NATO.
Das EUCOM als US-Stützpunkt
Seit 1967 hat das EUCOM-Hauptquartier seinen Sitz in den Patch Barracks (ehemals Kurmärker Kaserne) in Stuttgart-Vaihingen. Seine Aufgabe besteht nicht nur in der Unterstützung der NATO, sDas EUCOM in Stuttgart-Vaihingenondern auch darin, „unilaterale“ Einsätze, also Kriege, die die USA im Alleingang führen, zu leiten.[3] Dem EUCOM sind heute 62.000 US-Soldaten, eine 3000 Mann starke Reserve sowie 11.000 Zivilisten unterstellt.[4] Es ist integraler Bestandteil der US-Militärstrategie, die darauf abzielt, jeden Konflikt auf der Welt, gegen jeden erdenklichen Gegner gewinnen zu können („Full Spectrum Dominance“).[5] Zuletzt wurden diese Ambitionen in der „Army Modernization Strategy“ vom Juli 2008 noch einmal überdeutlich zusammengefasst. „Die Aufgabe der Armee ist es, die vitalen Interessen unseres Landes zu verteidigen und zu schützen. […] Dies erfordert eine Armee, die wie eine Expeditionsstreitkraft in der Lage ist, sich kampagnenartig in allen Konflikten durchzusetzen, zu jeder Zeit, in jeder Umgebung und gegen jeden Gegner – und das auf lange Sicht.“[6]
Die Verantwortung für die Kontrolle der Welt haben die USA auf zehn Kommandos verteilt, vier davon haben funktionale, sechs regionale Zuständigkeiten.[7] Das EUCOM ist seit den jüngsten Umstrukturierungen für ganz Europa und Russland verantwortlich, es war lange Zeit das einzige US-Kampfkommando, dessen Hauptquartier außerhalb der USA lag. Schon für den ersten US-Krieg gegen den Irak Anfang der 1990er wurde die gesamte Logistik vom EUCOM aus gesteuert, und auch an den Kriegshandlungen im ehemaligen Jugoslawien war es entscheidend beteiligt. Zwar wurde der Angriffskrieg gegen den Irak im Jahr 2003 primär vom Central Command (CENTCOM) durchgeführt, der gesamte Kriegsnachschub wurde jedoch vom EUCOM koordiniert. Der damalige EUCOM-Kommandeur Joseph Ralston gab seinerzeit an, den vom EUCOM befehligten europäischen Einrichtungen käme eine „zentrale Rolle“ zu.[8]
AFRICOM: Afrika im Fadenkreuz
Lange Jahre entlockte Afrika den US-Militärstrategen wenig mehr als ein desinteressiertes Schulterzucken. Für wie nebensächlich der Kontinent gehalten wurde, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass ihm lange Zeit kein eigenes Regionalkommando zugeordnet war. Vielmehr teilten sich EUCOM, PACOM und CENTCOM die Zuständigkeit. Dies änderte sich mit der im Februar 2007 erfolgten Ankündigung, ein eigenes Afrika-Kommando aufbauen zu wollen. Hiermit wurde die Bedeutung Afrikas erheblich aufgewertet und der ganze Kontinent einer einheitlichen Befehlsgewalt unterstellt (einzig Ägypten verbleibt in der Zuständigkeit des CENTCOM).
Zunächst sollte das AFRICOM nur vorübergehend zwischen Oktober 2007 und der vollen Einsatzbereitschaft im Oktober 2008 als Unterkommando des EUCOM in Stuttgart-Vaihingen angesiedelt werden. Allerdings scheiterte die geplante Verlegung nach Afrika daran, dass kein Land bereit war, das US-Regionalkommando zu beherbergen. So dürfte das AFRICOM dauerhaft in Stuttgart-Vaihingen stationiert bleiben und von dort künftig das Oberkommando über US-amerikanische Operationen auf fast dem gesamten afrikanischen Kontinent ausüben.[9]
Wie üblich, wird die Gründung des AFRICOMs mit dem „Kampf gegen den Terror“ begründet. Tatsächlich sind aber Rohstoffinteressen für Washingtons wachsendes militärisches Engagement verantwortlich: „Diese Maßnahme unterstreicht, dass der Kontinent für den amerikanischen Kampf gegen den Terrorismus an Bedeutung gewonnen hat. Doch primär soll der Zugang zu den Rohstoffen und insbesondere zu den Erdöl- und Erdgasressourcen afrikanischer Staaten abgesichert werden.“[10] Auch das US-Militär lässt bezüglich der Aufgabe des AFRICOM keine Zweifel aufkommen: „Da ist sicher eine Energiekomponente im Spiel“, äußert sich Navy-Admiral Bob Moeller. „Schließlich wächst Afrikas globale strategische Bedeutung und die Aufstellung des Kommandos erlaubt es uns, den afrikanischen Staaten dabei zu helfen, sich selbst hinsichtlich der Erhöhung der Sicherheit in ihren Ländern und auf dem gesamten Kontinent zu helfen.“[11]
EUCOM: NATO
Neben der Unterstützung US-amerikanischer Kriegseinsätze kommt dem EUCOM, wie bereits erwähnt, auch eine wichtige Funktion im Rahmen der NATO zu. Ursprünglich war das NATO-Oberkommando in die regionalen Zuständigkeitsbereiche „Europa“ und „Atlantik“ aufgeteilt. Auf ihrem Treffen am 12. Juni 2003 beschlossen die NATO-Verteidigungsminister jedoch eine Restrukturierung der Oberkommandos. Das früher für den Atlantik zuständige Regionalkommando wurde dadurch in das funktionale „Allied Command Transformation“ (ACT) umgewandelt, das ausschließlich mit der kontinuierlichen Verbesserung der NATO-Kriegskapazitäten betraut ist. Gleichzeitig fielen damit sämtliche operativen Aufgaben in den Verantwortungsbereich des vormaligen Europa-Kommandos, nun „Allied Command Operations“ (ACO) genannt. ACO ist laut Selbstbeschreibung „verantwortlich für sämtliche Operationen der Allianz, von Gibraltar bis nach Afghanistan.“[12]
Das ACO-Hauptquartier (SHAPE) liegt im belgischen Mons, dessen Kommandeur immer gleichzeitig der Chef des US-EUCOM und damit ein US-General ist. Seit Dezember 2006 ist dies der US-Militär Bantz J. Craddock, der das Aufgabengebiet von ACO folgendermaßen beschrieb: „Das Allied Command Operations ist bereit und in der Lage, auf multidimensionale Bedrohungen, auf neue und ungelöste Sicherheitsfragen sowie auf die Herausforderungen des Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln zu reagieren. Wir sind der Sicherheitslieferant der Allianz, fähig in strategischer Entfernung und unter erschwerten Bedingungen zu operieren. […] Die militärische Durchführung von Operationen ist unser Spezialgebiet, auf das wir unsere Kommandofähigkeiten konzentrieren.“[13] Schon aus dieser kurzen Zusammenstellung wird klar ersichtlich, dass vom EUCOM auf vielerlei Weise Krieg ausgeht, ein Fakt, der – eigentlich – gegen bestehendes Recht verstößt.
Rechtlicher Rahmen
Verschiedene Verträge regeln die Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland. „Die wichtigsten Rechtsgrundlagen sind der Aufenthaltsvertrag von 1954, das NATO Truppenstatut (NTS) von 1951 und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) von 1959. […] Diese Abkommen schränken in weiten Teilen de facto die Souveränität und Kontrolle der Bundesregierung über die Aktivitäten der US-Streitkräfte ein, auch wenn formal sämtliche Befugnisse von der Bundesregierung freiwillig gewährt und wieder zurückgenommen werden können.“[14]
Durch diese Verträge wird u.a. die ungehinderte Bewegungsfreiheit der Soldaten in und durch Deutschland geregelt, jedoch nur, solange Herkunft und Ziel ein anderer NATO-Staat ist. Allerdings „findet de facto keine Erfassung und Kontrolle der US-Flugbewegungen über Deutschland statt. Eine Überprüfung, ob es sich bei einem Flug eigentlich um einen genehmigungspflichtigen Transport von Truppenteilen außerhalb des NATO-Rahmens handelt, die den deutschen Luftraum benutzen um anschließend ohne ‚NATO-Auftrag‘ in einen nicht-NATO-Staat zu fliegen, findet nicht statt.“[15]
Dies ist umso problematischer, als das EUCOM formal an deutsche Gesetze gebunden ist, auch hier gilt also das Verbot der Vorbereitung oder der Durchführung eines Angriffskrieges (Grundgesetz, Artikel 26,1). Gerade der US-Krieg gegen den Irak hat jedoch gezeigt, dass seitens der Bundesregierung kein Interesse daran besteht, völkerrechts- und grundgesetzwidrigen US-Einsätzen von deutschem Boden aus einen Riegel vorzuschieben – schließlich ist man ja selbst bestrebt, die Bundeswehr für Angriffskriege fit zu machen. So kommt es zu guter Zusammenarbeit von deutschen und US-amerikanischen Offiziellen, wenn es darum geht, das EUCOM vor Demonstrationen zu „schützen“. Dennoch ist das EUCOM aufgrund seiner zentralen Rolle bei der Militär- und Kriegspolitik die richtige Adresse für Proteste und Widerstand. Protest und Widerstand, der sich logischerweise auch immer gegen die deutsche Militär- und Kriegspolitik zu richten hat.[16]