westerwelle-saEs schlug große Wellen, als im Juli 2011 der Beschluss des Bundessicherheitsrates bekannt wurde, mindestens 200 Leopard 2 Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern. Aus der Opposition und selbst aus den Reihen der Koalition regte sich heftiger Widerstand gegen diesen Deal. Eigentlich galt der Grundsatz, keine Waffenexporte in Spannungsgebiete zu genehmigen, der zwar immer wieder umgangen wurde, aber zumindest auf dem Papier Bestand hatte. Inzwischen wurde aber deutlich, dass dieser Grundsatz nicht nur wie befürchtet aufgeweicht werden soll, sondern dass die Bundesregierung mit einer neuen außenpolitischen strategischen Zielsetzung, die sie im sogenannten „Gestaltungsmächtekonzept“ öffentlich machte, einen kompletten sicherheitspolitischen Kurswechsel forciert. Am 30.07.2012 berichtete der Spiegel folgerichtig über die Möglichkeit einer Panzerlieferung in das Emirat Katar.[1] Die Argumente für ein solches Geschäft waren dieselben wie bei Saudi-Arabien: Es gehe um die Unterstützung der angeblich die Region stabilisierenden Golfmonarchien, die sich mit dem Gulf Cooperation Council (GCC) zu einer strategischen Allianz zusammengeschlossen haben.
Laut Auswärtigem Amt soll der „Golfkooperationsrat (…) Frieden und Sicherheit in der Region (…) fördern.“[2] Tatsächlich geht es aber um die Erweiterung des strategischen Einflusses Deutschlands im Nahen und Mittleren Osten[3].
Denn die deutsche Regierung sieht, wie auch die USA, im GCC einen verlässlichen Partner, der die Hegemonialbestrebungen des Iran eindämmen und im Sinne westlicher Interessen Einfluss auf die Region ausüben soll. Eine solche Politik ist jedoch auf kurzfristige strategische Einflussnahme gerichtet, zementiert die Bildung verfeindeter Blöcke, verhindert den politischen Dialog und fördert das Wettrüsten am Persischen Golf.
Im Zuge dieses Vorgehens werden vereinfachende Kategorisierungen regionaler Konflikte in den Kontext geopolitischer Erwägungen gestellt. Im Falle des Nahen und Mittleren Ostens wird der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zum einen von den Westmächten dazu genutzt, strategische Einflusssphären zu definieren und zum anderen von den GCC-Staaten instrumentalisiert, um innenpolitische Proteste auf repressive Weise zu bekämpfen. Indem schiitischen Minderheiten generell Loyalität zum Iran unterstellt wird, kann die Niederschlagung genuin zivilgesellschaftlicher Proteste als Verteidigung gegen iranische Aggression legitimiert werden. Der Westen geht auf dieses Spiel ein und verfolgt mit der klaren Parteinahme für die konservativen, sunnitischen und angeblich gemäßigten Regime in der Golfregion eine „Teile und Herrsche“-Politik, die fatale Folgen für die ganze Region mit sich bringen könnte.
Zur gesamten Studie hier klicken
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gestaltungsmächte am Persischen Golf
3. Merkel-Doktrin: Einflussnahme durch Rüstungsexporte
4. Neustrukturierung des Mittleren Ostens: Waffen wider die Menschenrechte
5. Der Golfkooperationsrat und die regionale Konfliktkonstellation
6. Die Politisierung konfessioneller Konflikte
7. Fazit