Gökhan Akgün leitet als koordinierender Erzieher den Freizeitbereich an der E.O.Plauen-Grundschule in Berlin-Kreuzberg
Vor einem Jahr hat die Personalversammlung der Erzieher und Lehrer in Friedrichshain-Kreuzberg Ihren Antrag verabschiedet, der eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr im Bildungsbereich grundsätzlich ablehnt und das Militär auffordert, jegliche Werbung an den Schulen im Bezirk zu unterlassen. Welche Folgen hatte der Beschluß?

Wir sind der einzige Bezirk in Berlin, an dem keine Bundeswehr-Werbung in Schulen stattfindet. Ich glaube also, unser Antrag ist bei denen schon angekommen, und die Bundeswehr hat kapiert, daß wir zur Stelle sind, falls sie hier auftauchen sollte. Darüber hinaus ist es wichtig, daß wir einen solchen Beschluß in der Hand haben, mit dem wir argumentieren können, das stärkt den kritischen Kollegen den Rücken. Und es fördert natürlich auch eine Diskussion an den Schulen.
Was ist mit den anderen Berliner Bezirken?

Woanders ist es schwieriger. In Friedrichshain-Kreuzberg haben die Kollegen gelacht, als ich fragte, ob ich meinen Antrag etwa begründen muß. Es war schon klar, daß wir die Bundeswehr hier nicht haben möchten. Aber ich weiß von vielen Kollegen, daß sie mit solchen Initiativen Riesenprobleme in den Schulkonferenz haben, wo es starke Gegenstimmen und Endlosdebatten gibt.
Was hat Sie denn persönlich zu Ihrem Antrag motiviert?

Das hat mit mehreren, auch traumatischen, Gewalterlebnissen zu tun. Ich selbst war als Jugendlicher in einer Gang. Ich habe mit angesehen, wie ein Freund von mir mit einem Messer verletzt wurde, und mein Bruder hat eine Schußverletzung nur knapp überlebt. Das hat mich schon sehr bewegt und mich motiviert, der Gewalt abzuschwören. Ich bin heute absoluter Antimilitarist und lehne die Bundeswehr als Institution ab. Ich möchte nicht, daß unsere Schüler lernen, Menschen zu töten. Wir sollen laut Schulgesetz die Kinder zur Friedlichkeit erziehen – dann dürfen wir aber nicht Offiziere an die Schule holen, die kriegerische Auseinandersetzungen befürworten bzw. einfach den Befehl ausführen würden, Gewalt auszuüben.
Inwiefern werden Sie persönlich mit der Bundeswehr konfrontiert?

An die Grundschule, in der ich tätig bin, kommt das Militär zum Glück noch nicht. Aber Jugendliche im Kiez sprechen mich immer wieder darauf an. Ich weiß, daß die Bundeswehr ganz gezielt auf Jugendliche mit Migrationshintergrund zugeht. Es ist ja von den USA bekannt, daß die meisten Soldaten – und auch die meisten, die sterben – aus den unteren Schichten kommen. Die Bundeswehr hat schnell kapiert: Diese jungen Leute sind sozial ganz unten, sie brauchen das Geld.
Und dann kommen diese Jugendlichen zu mir und erzählen, wie viele Möglichkeiten man da habe, daß man den Führerschein machen könne, eine Ausbildung usw. Manche reizt auch die Ausbildung an Schußwaffen. Ich habe mir gedacht: Oha, da wird es gefährlich. Da mußt du was machen, wenn die Bundeswehr jetzt anfängt, benachteiligte Kinder anzusprechen.
Woran liegt es, daß viele Lehrer trotzdem noch die Bundeswehr einladen?

Manche sagen, der Ausbildungsmarkt sei so knapp, und die Bundeswehr biete den Jugendlichen ja wirklich etwas an. Andere meinen, die Jugendlichen seien sonst nicht ausbildungstauglich, und ein bißchen Disziplin tue ihnen gut. Einige sprechen auch gerne von freier Schule und Meinungsaustausch. Aber das Problem ist ja, daß die Jugendoffiziere von ihren Vorgesetzten den Auftrag haben, die Bundeswehr schön und gut zu reden. Was soll daran frei und demokratisch sein, wenn der Jugendoffizier nicht einmal seine Meinung äußern kann, sondern nur seinen Befehl befolgen muß?
Grundsätzlich hat das Thema Friedenserziehung im Lehrplan und bei der Lehrerausbildung zu wenig Gewicht. Das fördert dann die Bereitschaft, einen Jugendoffizier zu holen, damit der Fragen beantwortet.
Wie geht es weiter?

Wir beraten im Bündnis »Schule ohne Militär« weitere Schritte. Es ist wichtig, daß wir aktiv bleiben, sonst ist die Bundeswehr sofort wieder da.