Die Gesundheitsämter sind völlig überlastet. Dem ohnehin vorhandenen Personalmangel gibt die Corona-Pandemie den Rest – die Berge an Arbeit sind nicht mehr zu bewältigen, die Telefonleitungen laufen heiß, die Beschäftigten sind im Dauerstress. Deshalb hat die Stadt Stuttgart, seit 10.10 Corona-Risikogebiet, Amtshilfe von der Bundeswehr angefordert. In Baden-Württemberg laufen derzeit in weiteren 13 Städten Bundeswehr Einsätze im Inneren. Das Vorgehen der Landeshauptstadt ist also kein Einzelfall.
Wie konnte es soweit kommen, dass die Bundeswehr Aufgaben übernimmt, die offensichtlich nicht zu ihrem Einsatzbereich gehören? Warum sind die Ämter nicht so gut gerüstet, dass sie auch in Pandemie-Zeiten die anfallende Arbeit bewältigen können?
Wo liegen die Prioritäten?
Es liegt daran, dass in unserem System Gesundheit und menschliches Wohlbefinden alles andere, als einen hohen Stellenwert hat. Vielmehr wird versucht in jedem erdenklichen Bereich Profite zu genieren und Kosten zu kürzen. In staatlichen Behörden werden, durch Personalkürzungen Kosten minimiert und im Bereich der Pflege und den Krankenhäuser wird seit Jahren privatisiert und ebenfalls Personal gekürzt.
In die Bundeswehr hingegen werden – selbst in Krisenzeiten – kontinuierlich Milliarden an € gepumpt. Der seit Jahren wachsende Verteidigungshaushalt erreicht 2020 einen Höchstwert von 45 Milliarden €. Aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket, dass die Bundesregierung Anfang Juni zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie beschlossen hat, erhält die Bundeswehr bis 2024 rund 3,2 Milliarden €. Unter anderem sollen die Mittel zur Digitalisierung und Modernisierung dienen. Trotzdem wird in den aktuell laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst weiterhin behauptet, dass für Lohnerhöhungen gerade nicht genügend Geld da sei. Gerade die, die das gesellschaftliche Leben während der Pandemie am Laufen gehalten haben, sollen, wenn es nach Staat und ‚Arbeitgebern‘ geht, leer ausgehen.
Es wird deutlich, wo die Prioritäten der Regierung liegen, wenn es darum geht öffentliche Gelder zu verteilen. Wohin Gelder fließen wird politisch entschieden. Deshalb ist es auch eine politische Entscheidung, die Bundeswehr in die Behörden zu schicken, statt diese besser auszustatten und vorzubereiten. Dass die PolitikerInnen kein Interesse an einem bestens funktionierenden Gesundheitssystem haben, das alle BürgerInnen zu Gute kommt, ist kein Wunder. Denn unser bestehendes Wirtschaftssystem basiert auf Konkurrenz. Ohne die ständige Vermehrung von Profiten sind sowohl Unternehmen als auch Staaten nicht in der Lage mit der Konkurrenz mitzuhalten, oder gar sich gegen sie durchzusetzen. Das Gesundheitssystem ist gegen das Geschäft der Bundeswehr ein Minus-Geschäft. Die Auslandseinsätze des deutschen Militärs sichern den Zugriff zu wertvollen Handelswegen und Rohstoffquellen. Außerdem ermöglichen sie deutschen Unternehmen, durch ihre Präsenz in Länder wie Afghanistan, die ausländischen Absatzmärkte für mehr Aufträge, sprich höhere Profite zu nutzen.
Neben den Militärinterventionen hat die Bundeswehr auch im Inneren eine wichtige Funktion. Auch wenn wir hier in Deutschland weit von Aufständen oder Massenstreiks entfernt sind – im Notfall kommt der Bundeswehr die Rolle zu, aufflammende Proteste niederzuschlagen. In unserem Nachbarland Frankreich haben wir bereits gesehen, dass neben einer hochgerüsteten Polizei auch das Militär gegen Menschen eingesetzt wird, die sich gegen neoliberale Politik wehren. Der jetzige Einsatz der Bundeswehr hier in Deutschland scheint dagegen harmlos. Doch er gibt der Bundeswehr die Möglichkeit sich, als im Sinne der BürgerInnen handelnder, Krisenhelfer darzustellen.
Ist doch gar nicht so schlimm? Doch. Denn so kommt es zu einer Normalisierung von militärischen Inlandstätigkeiten und einer verbreiteten Akzeptanz der Truppen. Die Bundeswehr soll als Freund und Helfer gesehen werden, anstatt als das, was sie ist – eine Armee die Krieg führt, andere Länder zerstört und ausbeutet und nicht im Interesse von uns BürgerInnen handelt. Die Schlag auf Schlag folgenden Skandale vervielfachen die Notwendigkeit die Bundeswehr als Helfer in Not zu inszenieren.
Mehr als ein Einzelfall!
Für besonderes Aufsehen sorgte dieses Jahr ein Brief eines Anwärters der Kommando Spezialkräfte (KSK) an die Bundesregierung. Darin legte er offen, dass die Eliteeinheit der Bundeswehr KSK von Rechten unterwandert ist. Außerdem wurde festgestellt, dass über 40.000 Schuss Munition und zwei Kilo Sprengstoff von der Bundeswehr entwendet wurden. Einen Teil davon fand man bei einem rechten KSK Soldaten im Garten. Das überrascht nicht. Seit der Gründung des KSK 1996 etablieren sich rechte Netzwerke in der Eliteeinheit. Von antisemitischen und holocaust-relativierenden Aussagen, bis zu Feierlichkeiten mit Hitlergrüßen oder faschistischen Netzwerken wie dem Hannibal Komplex – bei der Bundeswehr ist davon nichts zu missen. Das hat sogar dazu geführt, dass die Politik handeln musste und selbst eine der KSK Kompanien aufgelöst hat. Aber nach wie vor werden die Skandale bei der Bundeswehr als Einzelfälle abgestempelt und nicht als strukturelles Problem gesehen. Das macht es Rechten leicht ganze Netzwerke aufzubauen und sich im Staatsapparat auszubreiten. Trotzdem agiert nun die Bundeswehr inmitten der Gesellschaft.
#healthcarenotwarfare
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es im Gesundheitsbereich an allen Ecken und Enden mangelt. Die Überlegung einer Gesellschaft jenseits vom Kapitalismus drängt sich geradezu auf. Wie wäre es, wenn das Gesundheitssystem mit den gleichen Beträgen ausgebaut wäre, wie derzeit die Bundeswehr. Wie wäre es, wenn wir ein Gesundheitssystem hätten, dass unabhängig von Einkommen allen BürgerInnen zugute kommt, statt ein Bundeswehr, die in anderen Ländern Leid und Zerstörung verursacht?
In einem System in dem Profit über Menschenleben steht, kann es keine Regierung geben die Gesundheit über das Militär stellt. Für ein krisensicheres, besteingerichtetes Gesundheitssystem brauchen wir grundlegend andere Institutionen, die ihr Handeln an den Interessen der BürgerInnen ausrichten und nicht nach denen weniger Kapitalisten.
Die Bundeswehr hat weder in Schulen, auf Messen noch in den städtischen Ämtern etwas verloren. Wir brauchen kein Militär in der im Inneren. Was wir brauchen ist eine aktive und starke antimilitaristische Bewegung, die in der Lage ist, dem Vordringen der Bundeswehr in den öffentlichen Raum etwas entgegenzusetzen.
Für ein solidarisches und krisenfestes System, anstatt Bundeswehreinsätzen im Inneren und Profitlogik!

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