Vom 16. bis 18. Juni tagte die 214. Innenministerkonferenz im Europapark in Rust. Die 16 Innenminister debattierten über aktuelle Themen aber kamen auch zusammen, um das weitere Vorgehen im Innern zu koordinieren. Der bürgerlichen Presse verkaufte man dabei Beschlüsse, die auf den ersten Blick wünschenswert erscheinen. Doch was die Beschlüsse tatsächlich zeigen, ist, dass die Innenminister keine Krisenlösungen bieten, sondern stattdessen mit gewohnten Maßnahmen – mehr Kontrolle und Militarisierung im Inneren, mehr Abschottung nach außen – reagieren.
In der Außendarstellung war ihnen besonders wichtig, „ein klares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen“, indem sie sich für strikteres Vorgehen aussprachen, höheren Bußgelder oder Haftstrafen bei antisemitischen Straftaten verhängen und die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutzbund intensivieren und koordinieren wollen. Was bei dem aktuellen Diskurs über Antisemitismus problematisch ist: Er wird als ein importiertes Problem dargestellt und zunehmend auf Migrant:innen und Muslim:innen abgeschoben. Sie werden unter Generalverdacht gestellt und Rassismus gegen sie wird befeuert. Das zeigt auch ein neu verabschiedetes Gesetzt nachdem Ausländer:innen, die antisemitisch aufgefallen sind, nicht mehr eingebürgert werden dürfen. So soll die Einbürgerung von Rassisten und Antisemiten verhindert werden (CDU Innenexperte Mathias Middleberg).
Selbst wenn das nicht so wäre. Ihre Erzählungen über striktes Vorgehen gegen Antisemitismus mit mehr Verfassungsschutz ist ein Widerspruch in sich selbst. Da beißt sich die Katze doch in den Schwanz. Die Institution, die mit Maaßen über Jahre einen rechten Politiker an oberster Spitze sitzen hatte und selbst mit im NSU verstrickt war, soll nun noch intensiver eingreifen. Polizei und Militär, die durchsetzt sind mit rechten Netzwerken, Soldat:innen, die sich auf Tag X vorbereiten, Munition klauen und Schießtrainings durchführen, um die nationalen Interessen zu schützen: Der Staat und seine Institutionen sind Teil (und nicht Lösung) des Problems. Mehr als oberflächliche Symptome bekämpfen, die für negative Schlagzeilen sorgen, können die Innenminister nicht und sie haben kein Interesse an mehr. Wenn dabei Profite herausspringen, scheint Antisemitismus kein Problem zu sein. Die Bundesregierung macht gerne Deals mit diversen Antisemiten, wie Erdogan, der kein Blatt vor den Mund nimmt und von jüdischer Weltverschwörung spricht. Der Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus ist bitter nötig, doch nur eine starke antifaschistische Bewegung kann dem etwas entgegensetzen.
Ein weiteres Anliegen ist den Innenministern Hass im Netz zu bekämpfen und eine Identifizierungspflicht für Nutzer:innen voranzutreiben. Eine Möglichkeit, um dies zu verwirklichen, sind sogenannte Login-Fallen, bei denen die Betreiber:innen sozialer Netzwerke eng mit der Polizei zusammenarbeiten, um die IP Adressen zu ermitteln, sobald sich der/ die gesuchte Person einloggt. Die Sicherheitsbehörden sollen mit neuen rechtlichen Kompetenzen ausgestattet und das Internet besser überwacht werden. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass solche Maßnahmen besonders uns als linke Bewegung treffen. Sie schränken uns ein und erschweren unsere Arbeit. Ein selbstbestimmter Online-Auftritt wird immer schwieriger.
„Linksextremismus“ soll zusätzlich ganz gezielt ins Visier genommen werden. Den Innenministern war es deshalb ein Anliegen, ein gemeinsames „Signal zu den linksextremistischen Gewalttaten in dieser Woche in Berlin“ zu senden, dies seien „unerträgliche Zustände“. Als Linksextremist:innen werden diejenigen bezeichnet, die sich für dafür einsetzten, dass allem Menschen ein Dach über dem Kopf haben, die nicht zulassen wollen, dass die Stadt von irgendwelchen Spekulant:innen gekauft wird und ökonomisch schwächer gestellte Menschen aus der Stadt gedrängt werden. Auch hier zeigt sich was die Innenminister beschützen wollen – kapitalistische Profitlogik – auch wenn diese dafür sorgt, dass Menschen keinen Zugang zu Grundbedürfnissen wie einer Wohnung bekommen. Daran, das Problem der seit Jahren steigenden Mieten und der Verdrängung zu lösen, haben die Innenminister ganz offensichtlich kein Interesse.
Stattdessen hätten sie gerne wieder eine einheitliche Abschiebepraxis nach Syrien. Dafür gäbe es momentan jedoch zu viele Hürden, weshalb sich die Innenminister nicht auf einen Beschluss einigen konnten. Die IMK meint daher: „Wir müssen uns darüber unterhalten, ob wir die praktischen Möglichkeiten der Abschiebungen nach Syrien optimieren können“ wie Innenminister Strobel gegenüber der Presse sagte.
Darüber hinaus ging es um die Sicherheit in Fußballstadien. Auch die Fußballszene ist immer Ziel polizeilicher Repression und das Stadium ein Ort um neue Maßnahmen zu testen gewesen. Aus Sachsen gab es den Vorstoß, Tickets für Fußballspiele auch über die Pandemie hinaus zu personalisieren.
Neben den genannten Themen gab es Beschlüsse über die Einrichtung eines Katastrophen-Zentrums für Krisenmanagement, die Aufnahmen und der bessere Schutz für afghanische Ortskräfte, welche die Bundeswehr und die Polizei bei ihrem Kriegseinsatz in Afghanistan unterstützt haben, Sportangebote für Jugendlich in Städten um Mitternacht und Querdenken. Nicht alle der insgesamt 69 Tagesordnungspunkte sind jedoch veröffentlicht.
Massenentlassungen, Kurzarbeit, Sozialabbau – Gesellschaftliche Spannungen nehmen zu. Das merken auch die Innenminister. Und sie reagieren wie gewohnt – mit mehr Überwachung und Kontrolle, mit höheren Strafen und schärferen Gesetzen. Ihrer Einschätzung nach werden wir in Zukunft Katastrophen anderer Art (als die Pandemien) erleben und zwar mehr als vor Corona. Auf diese müsse man sich vorbereiten. Die Antworten der Herrschenden können unseren Interessen nicht entsprechen. Mit der Krise treten reaktionäre und kleinbürgerliche Krisenlösungen von AfD, Querdenken und Co. auf den Plan aber auch soziale und fortschrittliche Kämpfe werden wahrscheinlicher. Es ist unsere Aufgaben die fortschreitende innere Militarisierung zu thematisieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen – in linken Kreisen und darüber hinaus. Wir brauchen eine starke Antimilitaristische Bewegung, die dem etwas entgegensetzen kann. Denn egal zu welchem Thema wir arbeiten – Repression betrifft uns alle. Deshalb lasst uns gemeinsam gegen die IMK im Dezember in Stuttgart auch auf die Straße gehen und langfristig aktiv bleiben.
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