Die Bundeswehr wurde beim nun zu Ende gegangenen Kirchentag gerne gesehen: Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bekam gleich vier Mal Gelegenheit, für seine Armee im Einsatz zu werben. Störenfriede waren da eher die Kriegsgegner.
Die Losung des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentags »Soviel Du brauchst« wurde von der Bundeswehr eigenwillig interpretiert. Sie übt sich nicht in Bescheidenheit, sondern braucht offenbar jeden Platz, den sie kriegen kann: Mit einem PR-Stand köderte sie neue Rekruten. Auf einer Veranstaltung mit dem Titel »Internationale Konflikte« wurde über »Sinn und Ohnmacht« von Auslandseinsätzen philosophiert; auf einer anderen die Kriegsteilnehmer »Willkommen zu Hause« geheißen. Wurden früher auf Kirchentagen NATO-Doppelbeschlüsse kritisiert und der »Frieden unter uns« eingefordert, verteilt heute die Evangelische Kirche lieber ihr Magazin »Junge Soldaten«, in dem der Militärdienst als großer Jahrmarkt der Selbstverwirklichungsmöglichkeiten gepriesen wird.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bekam gleich vier Mal Gelegenheit, für seine Armee im Einsatz zu werben. Im Hamburger Michel leistete er »Bibelarbeit« – mit Hunderten staatsfrommer Christen in trauter Harmonie. Letztere wurde kaum gestört, als eine kleine Gruppe von Antimilitaristen Banner mit der Aufschrift »Bundeswehr abschaffen!« entrollte.
»Vor Jahrzehnten hätte ein Verteidigungsminister auf dem Kirchentag noch Hallen voller Empörter gefüllt«, stellt ein Autor der »Süddeutschen Zeitung« erstaunt fest. Am Samstag waren es gerade einmal 20 Personen, größtenteils Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK, der Hamburger Linksjugend und der Sozialistischen Jugendorganisation SDAJ, die ihre Einwände gegen de Maizières Dauerpräsenz auf dem Protestantentreffen lautstark zum Ausdruck brachten. Während de Maizière in den Messehallen Allgemeinplätze zum Thema »Demokratie heißt einander vertrauen« formulierte, sprang eine Kriegsgegnerin auf die Bühne und erinnerte die weit mehr als tausend Zuhörer daran, dass die Bundeswehr »weltweit für deutsche machtpolitische, geostrategische und wirtschaftliche Interessen im Kriegseinsatz ist«. De Maizières Politik verursache »Leid, Tod und Zerstörung. Das ist nicht vereinbar mit Demokratie«. Andere Aktivisten hielten Transparente hoch und skandierten Parolen, wie »Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt«.
Eine etwas ratlose Moderatorin holte vom Publikum die Zustimmung ein, einen der Demonstranten kurz auf der Bühne sprechen zu lassen. »Wie kann man einer Politik vertrauen, die Geschäfte mit einem mittelalterlichen Gottesstaat macht, in der Menschen gesteinigt werden«, sagte Heinz Kappei von der DFG-VK, in eine »PACE«-Fahne gehüllt, und kritisierte damit die umfangreichen deutschen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien.
»Es gehört sich nicht, mit einem Kriegsminister in einen Dialog zu treten«, kritisierte DFG-VK-Geschäftsführer Monty Schädel die anwesenden Christen. Aber nicht wenige von ihnen lieben offenbar ihren Nächsten nur, wenn er Verteidigungsminister ist. Während sie de Maizières Verstöße gegen das Fünfte Gebot durchgehen und ihn einen guten Mann sein ließen, bezichtigten sie die friedlich demonstrierenden Antimilitaristen allerlei Sünden: Nicht nur »Gewalt« und eine »Vergewaltigung« sollen die Störer des himmlischen Kirchentagsfriedens begangen – auch eine »Diktatur« sollen sie im Saal errichtet haben. Wer ähnlich schlimm wie Pol Pot und Pinochet ist, der hat keine guten Taten verdient, dachten sich wohl einige christliche Pfadfinder und gingen recht rabiat gegen die Friedensaktivisten vor. Auch Medienvertreter wurden mit Rempeleien und Schubsereien am Fotografieren gehindert. Vor der Tür sühnte schließlich noch die Staatsgewalt die Verletzung des Elften Gebotes – »Du sollst keine Kritik üben wider der Bundeswehr« – und ging auf Demonstrantenjagd.
Einen von ihnen warfen die Beamten zu Boden und legten ihm Handschellen an. Der Mann, und mit ihm zwei weitere, wurden vorläufig festgenommen. Die Vorwürfe: Versuchte gefährliche Körperverletzung, Widerstand, versuchte Gefangenbefreiung. »Diese Anschuldigungen sind völlig absurd«, erklärte eine Sprecherin der Friedensaktivisten gegenüber »nd«.
»Wir finden es alarmierend, dass zahlreiche Besucher und Pfadfinder sich lieber als Hilfspolizei an die Seite des Kriegsministers stellen, als unsere Proteste zu unterstützen«, lautet ihre Bilanz der Demonstration. »Das zeigt, dass Kriegspropaganda und die Militarisierung der Gesellschaft ihre Wirkung zeitigen und wir mehr und mehr gefordert sind, Opposition zu organisieren.«
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