Das Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart (OTKM) hat im Rahmen der vom 20. bis zum 26. Januar 2014 angesetzten Siko-Aktionswoche eine Kundgebung vor dem Jugendradiosender BigFM abgehalten. Es waren zwischen 25 und 30 Personen anwesend. Neben Redebeiträgen zur NATO-Sicherheitskonferenz, dem aktuellen Aufbauprozess in Rojava und Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, wurde erstmalig ein kleines Theaterstück vom OTKM aufgeführt, das sich thematisch mit dem Kunduz-Massaker befasste. Das 15 minütige Stück griff dabei sowohl die Perspektive der afghanischen Bevölkerung, als auch die medial zwar sehr frequentiert, aber doch sehr einseitige dargestellte Rolle von Oberst Klein und der Bundeswehr kritisch auf. Die anschließende Rede thematisierte in diesem Zusammenhang die Bonner Kampagne gegen den Kunduzprozess (Ende 2013) und die damit einhergehende staatliche Repression gegen dort aktive Antimilitaristinnen und -militaristen. Auch wurde auf dem Boden mit Sprühkreide die Aufforderung hinterlassen Bundeswehrwerbung bei BigFM ab[zu]schalten. Im Anschluss an die Kundgebung wurde das Karrierecenter der Bundeswehr, wo sich auch das Bundeswehrverbindungskommando befindet, in Stuttgart mit vielfältigen „Markierungen“ an verschiedenen Spots kreativ und vielfältig verschönert.
Wieso protestiert das OTKM gegen einen Radiosender?
BigFm ist ein viel gehörter Sender in Stuttgart und Region, der der Bundeswehr seit Jahren eine öffentliche Plattform gibt, um neue Rekruten anzuwerben und sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. BigFm strahlt nicht nur einseitige Bundeswehr-verherrlichende Beiträge und Werbung für die Bundeswehr während ihrer Sendezeit aus, sie lädt die Rekruten gerne auch zum persönlichen Gespräch in ihre Studios ein. Zudem verkauft der Sender seine Dienstleistung auch direkt vor Ort, mobil und flexibel bis in die entlegensten Kriegsgebiete – so versandte der Radiosender im Jahr 2013 drei Dj´s in den Kososvo, um die dort stationierten Soldaten zu bespaßen.
Diese öffentlichen Werbeauftritte der Bundeswehr spiegeln ihre Bemühungen wider gesellschaftlich mehr Akzeptanz und Anerkennung zu gewinnen. So soll u.a. der Protest und Widerstand gegen eine immer weitreichendere Militarisierung so gering wie möglich gehalten werden. Die Militarisierung beschränkt sich demnach nicht nur auf die Strukturen der Behörden oder auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit zivilen Unternehmen, sondern strebt auch zunehmend in den öffentlichen Raum. Nicht nur Gelöbnisse, Stadtfeste oder Benefizkonzerte haben seit der Abschaffung der Wehrpflicht deutlich an Anzahl und Größe zugenommen, um ihren Bedarf an Soldaten und Nachwuchs decken zu können. Ob Schulen, Arbeitsämter, Messen, das Radio oder Fernsehen, die Bundeswehr versucht flächendeckend das Morden von Menschen zu einen technisch interessanten und abwechslungsreichen Beruf zu verklären.
Dieser Militarisierung des Alltags wollte das OTKM und die Teilnehmenden der Kundgebung eine – wenn auch kurzweilige und symbolische – Gegenöffentlichkeit entgegenbringen.
Das Bundeswehr-Karrierecenter und Verbindungskommando an der Löwentorbrücke
Entgegen dem anfänglichen Ansätzen militärische und zivile Strukturen strikt zu trennen und damit Konsequenzen aus der deutschen Geschichte zu ziehen, steuert das heutige Sicherheitsarchitekturkonzept zunehmend, aber konsequent, auf die „vernetzte Sicherheit“ zu, was eine Vermischung von zivilen und militärischen Strukturen vorsieht. Dies hat sowohl Gültigkeit für den Dienst von „zivilen Beamten“ (Polizisten, Ausbilder, NGOs) bei Kriegseinsätzen außerhalb deutscher Grenzen, als auch für die Einsätze der Bundeswehr im Innern. Beispiele für eine sog. Amtshilfe bei polizeilichen Großeinsätzen gibt es zu Hauff: Die jährlich stattfindende Nato-Sicherheitskonferenz in München, die Castortransporte nach Gorleben, der G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 oder als Zivilisten-schützende-Engel in Katastrophenfällen.
Im Jahr 2012 wurden die Beschränkungen für den Militäreinsatz im Inland weitreichend gelockert, so dass nun auch ein bewaffneter Einsatz der Bundeswehr im Inneren rechtlich möglich wird. Eine wichtige Schnittstelle für das Funktionieren dieser vernetzten – also militärischen sowie zivilen – Struktur stellen die sogenannten Verbindungskommandos dar. Zwischen 2007 und 2010 wurden bundesweit solche Kommandos auf Landes-, und Bezirksebene dauerhaft eingerichtet, um die Zusammenarbeit zwischen den Ordnungsämtern, den polizeilichen Behörden, dem Militär, dem Technischem Hilfswerk und anderen Stellen zu koordinieren. Dem Karrierecenter, ehemals mit dem Namen Karrierecenter, fällt dabei die Anwerbung von neuen Rekruten zu.
5 Spots = 5 Aktionen
Das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der Löwentorbrücke bot demnach gleich mehrere Gründe und Themen an, um sich mit ihm im Zusammenhang der antimilitaristischen SiKo- Aktionwoche großflächig zu beschäftigen. Die knapp 15 Aktivistinnen und Aktivisten nutzten dabei alle ihnen zu Verfügung stehenden Mittel und Orte und hinterließen einige farbenfrohe Mitteilungen für vorbeikommende Auto- und Bahnfahrerinnen und -fahrer. Da die S21-Gegerinnen-Demo in der Innenstadt die komplette Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zog, konnten die Verschönerungsaktionen ungestört durchgeführt werden. Thematisch bezogen sich die Aktionen auf die massive Bundeswehrrekrutierung an Schulen, die rasant ansteigenden Rüstungsausgaben, das Kunduz-Massaker und Oberst Klein und auf den reaktionären Charakter von imperialistischen Kriegen.
Hier eine kleine Auflistung der gemachten Aktionen:
Spot I: zwei Transparente an der Brücke befestigt
Die unter der Löwentorbrücke hindurchführende Heilbronner Straße ist eine der meist befahrenen Verkehrsadern, die zwei der wichtigsten Knotenpunkte Stuttgarts miteinander verbindet und viele Pendlerinnen und Pendler von Umgebung in die Innenstadt rein und wieder raus bringen.
Aufschrift der Transparente:
Krieg beginnt hier! Smash NATO und
Hier geworben, im Krieg gestorben.
Spot II: Bauzaun als Kulisse für einen „Rekrutierungspanzer“
An den momentan vor Ort aufgebauten Bauzäunen wurde ein mit einem Panzer bemaltes Transparent angebracht. An dem Kanonenrohr des Panzers wurde symbolisch ein Schulranzen befestigt. Auf dem Transparent ebenso zu sehen war die Aufschrift: Eure Kriege, unsere Kinder! Bundeswehr raus aus unseren Schulen!
Spot III: Wiese in Friedhof für Kunduzopfer umfunktioniert
In die Wiese vor dem Karrierecenter wurden mehreren Kreuze in den Boden gerammt, die den 143 ermordeten Zivilisten 2009 in der Kunduzregion gedenken und ihre Solidarität mit den zurückgebliebenen Familien bekunden sollte.
Spot IV: Wand und Container mit No War besprüht.
Spot V: Scheiben der Haltestelle verklebt
An die Scheiben der Haltestelle wurde zentriert das Bild von Oberst Klein platziert und drumherum einige weitere Bilder und Texte angebracht (Krieg beginnt hier; Oberst Klein – Gestern Massenmörder, heute General; Bilder und Namen von ermordeten Zivilisten; ein bombenwerfender Bundeswehrflieger).
In diesem Sinne: Lasst uns gemeinsam gegen Krieg aktiv sein.
Am 01.Februar 2014 gemeinsam nach München zu den Gegenprostesten der Nato-Sicherheitskonferenz!
Krieg beginnt hier! Widerstand auch!
anstehende antimilitaristische Termine und Ankündigungen
Auf ins Lilo Herrmann zum OTKM-Filmabend, gezeigt wird „…aber hat nicht gedient“
Do. 30. Januar 2014
Beginn: 19 Uhr
Ort: Linkes Zentrum Lilo Herrmann (Böblinger Straße 105 | U1 & U14 Erwin-Schöttle-Platz)
Thema: Verschiedene Perspektiven von Kriegsdienstverweigerern (mehr Infos auch unter: otkm-stuttgart.tk…termine)
hier habt ihr zudem die Möglichkeit Busfahrkarten für die Proteste gegen die Siko zu kaufen, noch wenige Restkarten sind erhältlich.
…gemeinsam nach München! Kriegstreiberkonferenz (Nato-Sicherheitskonferenz) stören!
Sa. 01. Februar 2014
Demobeginn: 13 Uhr
Ort: Marienplatz in München
Es gibt eine gemeinsame Busfahrt aus Stuttgart, Tickets (12 Euro, 15 Solipreis) sind im Infoladen des Linken Zentrums Lilo Herrmann erhältlich, nur noch wenige erhältlich.
Antikapitalistischer Aufruf: http://almuc.blogsport.eu/2013
Mobi-Videos zur Siko 2014: www.youtube.com/watch?v=dO_2SIbMFPo, https://vimeo.com/m/84782857
weitere Infos zur den Siko-Protesten auch unter: almuc.blogsport.eu; akistuttgart.tk; otkm-stuttgart.tk; sicherheitskonferenz.de
… zur Rojava-Solidemo in Stuttgart! Zeigen wir uns solidarisch mit der kämpfenden Bevölkerung in Rojava!
Sa. 08. Februar
Beginn: 14 Uhr
Ort: Lautenschlagerstraße (nahe des Stuttgarter HBF)
Antimilitaristischer Aufruf: https://linksunten.indymedia.org/en/node/102371
Stuttgarter Bündnisaufruf: otkm-stuttgart.tk…das schweigen brechen
Rojava-Mobivideo:http://www.youtube.com/watch?v=jNoc59BlLAc
Rojava- Aktionstag: https://linksunten.indymedia.org/en/node/104293
weitere Infos auch unter: akistuttgart.tk,syrien-tagx.tk;
…zur Buchvorstellung mit Christian Fuchs „Geheimer Krieg. Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird“ im Haus der Katholischen Kirche
06. Februar 2014
Beginn: 19:30 bis 21:30 Uhr
Ort: Haus der Katholischen Kirche, Königstraße 7
Eintritt frei
Infos auch unter: kbw-stuttgart.de; otkm-stuttgart.tk
Kategorien: Aktionen