Heute haben wir, vom offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart(OTKM), einen offenen Brief an Lift-das Stuttgartmagazin auf verschiedene Weisen zugestellt.
Das Magazin soll eine Kulturzeitung sein, die sich an ein eher jüngeres Publikum richtet; dementsprechend trägt es eine Verantwortung keine Werbung für Krieg und Militär zu machen.
In dem Brief weisen wir darauf hin, dass für die Bundeswehr zu werben, ein Werben für deutsche Wirtschafts- und Profitinteressen, sowie sexistische Übergriffe und rechte Netzwerke ist und fordern deshalb das Lift-Magazin auf, dies zu unterlassen.
Wir haben den Brief hier unten für euch eingefügt, überzeugt euch selbst.
Offener Brief an das Lift-das Stuttgartmagazin: Keine Werbung fürs Militär!
Sehr geehrter Herr Domdey, sehr geehrte RedakteurInnen, sehr geehrte LeserInnen,
Lift-das Stuttgartmagazin beschreibt sich selbst als Präsentation „des Besten was Stuttgart und Region zu bieten hat“. In der aktuellen Ausgabe des Hefts Aus- und Weiterbildung Halbjahr 02/2020 finden sich allerdings auch mehrere Passagen mit Werbung für eine Karriere in der Bundeswehr. Gehört die Bundeswehr tatsächlich zum Besten was Stuttgart zu bieten hat?
Im folgenden Text legen wir dar, warum wir Werbung für die Bundeswehr ablehnen und warum wir hiermit das Lift-das Stuttgartmagazin auffordern, die Werbung zu entfernen.
Eine Karriere in der Bundeswehr zu bewerben, bedeutet Werbung für ein kaputtes Gesundheitssystem zu machen.
Sehr aktuell ist die Thematik um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Die Folgen der Coronapandemie zeigen sich in vielen Bereichen der Gesellschaft. Die Gesundheitssysteme sind spätestens seit 50 Fällen pro 100.000 Einwohner völlig überfordert und benötigen die Hilfe der Bundeswehr, um sie bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Eine Folge von einem jahrelang kaputt gesparten Gesundheitssystem. Beim Militär selbst wird allerdings nicht gespart. Der Verteidigungshaushalt 2020 liegt bei knapp 45,2 Milliarden Euro und ist in den letzten 6 Jahren um 40% gestiegen. Ein Wirtschaftssystem, welches auf Profit basiert, hat keinen Raum für ein krisensicheres Gesundheitssystem. Wäre die Arbeit im Gesundheitswesen, die für die Gesellschaft so viel wichtiger ist, finanziell mindestens so lukrativ wie die Bundeswehr, hätten wir sehr viel weniger überlastete Gesundheitsämter. Stattdessen müssen die Angestellten im öffentlichen Dienst in Tarifverhandlungen mühsam jeden Prozent einer Lohnerhöhung, einer verbesserten Arbeitsbedingung, erkämpfen. Zum Dank für die systemrelevante Arbeit erhalten sie ein paar Wochen klatschen, den Ehrentitel Helden und eine Lohnerhöhung, die nicht viel mehr als ein Inflationsausgleich sind.
Eine Karriere in der Bundeswehr zu bewerben, bedeutet Werbung für Krieg zu machen.
Derzeit führt die Bundeswehr 13 Auslandseinsätze aus. Seit nunmehr fast 20 Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan. Paradoxerweise sollte das Ziel sein mit Krieg und Waffengewalt Frieden, Demokratie und Menschenrechte in das Land zu bringen. Das Resultat zeichnet ein anders Bild: 20 Jahre Krieg, ein Land so arm wie noch nie, Kriegsverbrechen, zerstörte Infrastruktur und unzählige getötete Menschen. Die Aufgabe der Bundeswehr ist es nicht Deutschland zu „verteidigen“, die Aufgabe der Bundeswehr ist es Interessen der deutschen Wirtschaft zu wahren, zu sichern und voranzutreiben. Erst vor kurzem traf Siemens Energy ein Abkommen zur Elektrifizierung von ganz Afghanistan. So genannte „Entwicklungshilfen“, also finanzielle Unterstützung zum Aufbau des gebeutelten Landes, fließen zu größten Teilen ohne Umwege direkt in die Taschen der Geberländer zurück. Gleichzeitig soll die stetig voranschreitende Aufrüstung der Bundeswehr ermöglichen immer mehr und immer selbständiger Kriege im Ausland führen zu können.
Eine Karriere in der Bundeswehr zu bewerben, bedeutet Werbung für rechte Strukturen zu machen.
Das Kommando Spezialkräfte geriet 2017 aufgrund einer Abschiedsparty in Stuttgart-Vaihingen in Kritik. Zu einer solchen Party gehören dort Klassiker, wie das Schweinekopf-Weitwerfen, kameradschaftliche Hitlergrüße und Hits der Rechtsrockband Sturmwehr. Ebenfalls 2017 rückte der Fokus auf ein ganzes Netzwerk von militanten rechten Preppern, bestehend unter anderem aus Soldaten und Reservisten, die sich mit verstecken Waffenlagern und Tötungslisten auf einen „Tag X“ vorbereiten. Administrator dieser WhatsApp-Gruppen war André S., genannt Hannibal, ein Unteroffizier und Mitglied des KSK. Im Mai 2020 wurde ein Soldat festgenommen, dem eine Zugehörigkeit zu rechten Strukturen vorgeworfen wird. Auf seinem Grundstück fand man Kriegswaffen, Munition und Sprengstoff der Bundeswehr. Vorfälle wie diese zeigen deutlich, dass eine rechte Mentalität in der Bundeswehr kein Einzelfall ist, sie verweisen auf einen rechten Korpsgeist und damit auf ein strukturelles Problem innerhalb Bundeswehr. Im Oktober gab die Bundeswehr bekannt, dass allein aus den Beständen des KSK 13.000 Schuss und 62 Kilogramm Sprengstoff fehlen.
Eine Karriere in der Bundeswehr zu bewerben, bedeutet Werbung für Sexismus zu machen.
2017 wurde bekannt, dass Soldatinnen der Kaserne in Pfullendorf im Rahmen von Inspektionen und Lehrgängen an Poledance-Stangen tanzen mussten und ein Betasten ihre nackten Brüste und des Genitalbereichs, inklusive „Geruchsprobe“, über sich ergehen lassen mussten. Allein im Jahr 2019 gab es 345 Meldungen von sexueller Belästigung in der Bundeswehr, davon 32 mit Hinweisen auf sexuelle Übergriffe. Auch dieses Jahr wurde ein Hauptfeldwebel wegen sexueller Belästigung und versuchter Nötigung verurteilt. Die Gleichstellung von Frau und Mann, um die sich die Bundeswehr öffentlich so bemüht, die sie spätestens seit Abschaffung des Wehrdienstes braucht, um ihre Personalziele zu erreichen, ist im Innern der Bundeswehr noch lange nicht angekommen. Högl, die Wehrbeauftragte der Bundeswehr, stellt fest, dass „es bei einem erhöhtem Alkoholkonsum – wie auch im Rest der Gesellschaft – zu vermehrten sexuellen Belästigungen kommt.“ Ein strukturelles Problem mit Sexismus sieht sie nicht.
Genau wegen diesen aufgezählten Punkten halten wir es für nicht legitim die Bundeswehr aktiv mit Werbung zu unterstützen.
Denn Werbung spielt für die Bundeswehr eine tragende Rolle. Sie ist entscheidend dabei, dass, durch regelmäßig an die Öffentlichkeit kommende Skandale, beschädigte Image der Bundeswehr aufzubessern. Werbung erfüllt allerdings auch den Zweck die Bundeswehr in den Augen der Bevölkerung zu legitimieren, zu einem Bestandteil des Alltäglichen werden zu lassen, den Widerstand gegen Auslandseinsätze abzuschwächen und Befürworter in ihre eigenen Reihen zu rekrutieren. Diese Imagekampagnen lässt sich die Bundeswehr 2019 rund 34,5 Millionen Euro kosten. In ihnen stellt sich die Bundeswehr als völlig normaler, diverser, vertrauenswürdiger und zukunftssicherer Arbeitgeber dar. Dabei beheimaten sie rechtsextreme Strukturen, verharmlosen stattfindenden Sexismus, stellen Krieg als Abenteuerlust dar und heben Wirtschaftsinteressen über das Leben von Menschen. Wir fordern:
Macht, was wirklich zählt! Entfernt Werbung für die Bundeswehr aus dem Lift-das Stuttgartmagazin!
Mit antimilitaristischen Grüßen
Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart