Seit Wochen überschlagen sich die Horror-Meldungen aller großen westlichen Zeitungen. Sollte es nach den Kommentator:innen bei Spiegel, Welt und Bild gehen, stehen wir unmittelbar vor dem dritten Weltkrieg, den allein der russische Präsident Wladimir Putin zu verantworten hat. Dass die Sache sicher nicht so einfach ist, sollte kritischen Leser:innen dann aber doch auffallen. Trotzdem zeigen die Schlag auf Schlag aufeinander folgenden Krisentreffen von NATO, OSZE etc., ebenso wie die nervösen Reaktionen an den Börsen, wie ernst die Situation tatsächlich ist.

Osteuropa als militärisches Aufmarschgebiet

Dass die Kriegshetze in den Medien gegen Russland und gegenseitige Schuldzuweisungen an der aktuellen Eskalation nicht nur Schall und Rauch sind, zeigt außerdem die Verlegung von Soldat:innen und Kriegsgerät nach Osteuropa.

Während auf der einen Seite die NATO die Ukraine mit gigantischen Waffenlieferungen aufrüstet, militärische Spezialeinheiten dorthin verlegt und unter anderem in den baltischen Staaten und Bulgarien seine Truppen und Kampfflugzeuge aufstockt, Kriegsschiffe im Mittelmeer positioniert und die USA ankündigen, bis zu 50.000 Soldat:innen in die Ukraine verlegen zu wollen, sammelt Russland auf der anderen Seite massive Truppen an der Grenze zur Ukraine, in Belarus und im Schwarzen Meer, dem Asowschen Meer und der Ostsee.

So wird Europa zu einem regelrechten Schachbrett für einen möglichen bevorstehenden großen Krieg, bei dem die von den USA geführte NATO dem Erzfeind Russland gegenübersteht und beide ihre Figuren in Stellung bringen. Insbesondere die osteuropäischen Staaten werden in diesem Konflikt zum militärischen Aufmarschgebiet und potentiellen Schlachtfeld.

Die Eskalationsspirale hat spätestens mit der Kündigung des INF-Vertrags durch die USA bereits 2019 und durch die Reaktivierung des 56. US-amerikanischen Artilleriekommandos in Deutschland am 8. November 2021 eine neue Qualität erreicht. Das Artilleriekommando war 1991 stillgelegt worden, es besaß zuvor das Kommando über die atomaren Mittelstreckenraketen, die auf Russland gerichtet waren. Nun könnte es mit der Kontrolle über die mögliche Neustationierung von Hyper-Schallwaffen und Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa betraut werden.

Kampf um geostrategische Interessen

Der Konflikt, der nun zur Eskalation führen könnte, ist ein seit Jahrzehnten schwelender, bei dem es um die Einflusssphären und geostrategischen Interessen der verschiedenen imperialistischen Länder und Blöcke geht.

Seit dem Zusammenbruch der ehemals sozialistischen Sowjetunion und der mit ihr verbündeten Staaten in Osteuropa in den 1990er Jahren hat die NATO immer wieder erklärt, auf eine Osterweiterung zu verzichten und damit weder Truppen direkt an der russischen Grenze zu postieren, noch die geostrategischen Interessen und das Einflussgebiet Russlands in Osteuropa in Frage zu stellen.

Gleichzeitig ist mit der Erweiterung der EU und der NATO nach Osten genau das Gegenteil passiert: Von dieser Erweiterung mit der Aufrüstung der Länder und durch die Stationierung von NATO-Truppen in Osteuropa sieht Russland sowohl seine geostrategische Einflusssphäre, als auch seine eigene Sicherheit bedroht. Gleichzeitig sprechen diese Länder von einer Bedrohung durch Russland, gegen die sie durch die NATO und ihre Truppen beschützt werden müssten.

Wer will den Krieg?

Beide Seiten haben ihre Kriegspropaganda angeworfen und werden nicht müde zu beteuern, dass man selber ja keine weitere Eskalation oder gar einen Krieg will, aber aufgrund der anderen Seite nicht anders reagieren könne, als einen weiteren Schritt Richtung Krieg zu gehen. Schlussendlich geht es auf beiden Seiten darum, so hoch zu pokern, dass man der anderen Seite seinen Willen gewaltsam aufdrücken kann, möglichst noch ohne einen größeren Krieg. Im Zweifelsfall würden beide Seiten wohl aber auch diesen Krieg und seine Folgen in Kauf nehmen.

Stimmen, die in der aktuellen Eskalation jedoch gar nicht gehört werden, sind die der Arbeiterinnen und Arbeiter, sei es in Russland, der Ukraine oder der anderen europäischen Länder. Sie sind es doch, die unter einem möglichen Krieg leiden werden und im Zweifelsfall den Kampf zwischen den Imperialisten mit ihrem Leben bezahlen.

Die Interessen der Arbeiter:innenklasse in allen beteiligten Ländern stehen dem drohenden Krieg entgegen. Entsprechend klar ist unsere Aufgabe, sich nicht von der martialischen Kriegspropaganda gegeneinander aufhetzen zu lassen, sondern sich entschlossen und vereint gegen den imperialistischen Krieg zu stellen und darum zu kämpfen, die eigene herrschende Klasse von ihm abzuhalten.

Quelle: Perspektive Online

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