Aufruf von NoWar Berlin zur Demonstration:
Nein zum Krieg in Syrien!
In Syrien ist Krieg. Nicht erst mit dem angedrohten und nun doch aufgeschobenen US-Bombardement käme der Krieg in die arabische Republik, seit langem ist er hier. Was als friedliche Massenproteste gegen den autoritären und neoliberalen Kurs der Regierung Baschar Al-Assads begann, wurde längst durch die Einmischung diverser regionaler und internationaler Großmächte zu einem blutigen militarisierten Konflikt mit mittlerweile mehr als hunderttausend Toten und Millionen Menschen, die sich auf der Flucht vor der Gewalt befinden. Zwischen den Frontlinien eines Kampfes, bei dem keine der Seiten – weder das Regime, noch die vom Westen hofierte Freie Syrische Armee (FSA) – behaupten kann, sich keiner Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht zu haben, steht die Zivilbevölkerung.
Der Bürgerkrieg wird von den Golfmonarchien und den Nato-Staaten angeheizt: Das Nato-Mitglied Türkei fungiert dabei als Rückzugsgebiet der aufständischen Gruppen. Sie erhalten dort logistische und militärische Unterstützung. Verwundete Aufständische werden in türkischen Krankenhäusern versorgt. Waffen werden ihnen von den Golfdiktaturen geliefert, die EU-Staaten liefern „nicht-letale“ Güter, das heißt zum Beispiel Schutzwesten oder gepanzerte Fahrzeuge. Auch Deutschland, trotz offizieller Nichteinmischungspolitik, leistet nicht nur diplomatische Schützenhilfe: An der türkischen Grenze sind deutsche Patriot-Luftabwehrraketen und 300 BundeswehrsoldatInnen stationiert. In Berlin finanziert man Think-Tanks zur Planung einer künftigen syrischen Nachkriegsordnung und Flottendienstboote der deutschen Marine, die hochmodernes Spionagegerät mit sich führen, kreuzen seit Jahren immer wieder vor der syrischen Küste.
Die Aufstandsbewegung in Syrien besteht laut der britischen Jane’s Information Group, einem militärwissenschaftlichen und technischen Verlag, aus 100 000 Kämpfern. Diese setzen sich laut der Studie allerdings aus etwa 1000 unterschiedlichen Gruppen zusammen, wobei 10 000 Aufständische direkt von al-Qaida kontrolliert würden. Darüber hinaus werden 30 000 bis 35 000 Rebellen als „Dschihadisten“ eingestuft, die al-Qaida naheständen, während 30 000 weitere Kämpfer moderaten islamischen Fraktionen zugeordnet werden. Es ist aber keineswegs so, dass es in Syrien ausschließlich das Assad-Regime auf der einen und die FSA samt islamistischer Vorhut auf der anderen gäbe. Von den westlichen Mainstreammedien nahezu komplett ignoriert, betreibt im Norden und Nordosten des Landes die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) ihr eigenes demokratisches Aufbauprojekt und ordnet sich dabei weder Damaskus noch den Islamisten unter. Die kurdische Selbstverwaltung muss gegenwärtig aber gegen heftige Angriffe der anderen Konfliktparteien, insbesondere auch der vom Westen so gefeierten FSA verteidigt werden. Mehrfach kam es zu Gefechten zwischen den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und der FSA sowie anderen islamistischen aufständischen Gruppen. In der Provinz Hassake, die an die Türkei und den Irak grenzt, kämpfen PYD-Einheiten gegen die Angriffe der jihadistischen al-Nusra-Front, des syrischen Ablegers von al-Qaida. Organisiert ist die kurdische PYD zusammen mit anderen nicht-kurdischen sozialistischen und linken Gruppierungen im Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC). Das NCC lehnt die westliche Einmischung ab – im Unterschied zu der vom Westen unterstützten Syrischen Nationalen Koalition.
Wohin ausländische Intervention und Einmischung führen, haben die „Failed States“ Afghanistan, Irak, und Libyen hinreichend gezeigt, in denen nichts als Faustrecht und Chaos geblieben sind, nachdem der Westen sich anschickte, seine „Demokratie“ dorthin zu exportieren. Zehn Jahre Krieg und Besatzung in Afghanistan haben weder Frieden noch Sicherheit gebracht. Stattdessen ein pro-westliches Regime aus korrupten Warlords, steigende Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung, zerstörte Infrastruktur, massive Unterernährung und sinkende Lebenserwartung.
Die Kriegspolitik der Nato und anderer Staaten haben nichts mit dem Kampf für Menschenrechte oder Demokratie zu tun, sondern vielmehr mit der Durchsetzung von ökonomischen und geopolitischen Interessen. Die Konkurrenz um Ressourcen, Märkte, Handelswege und Einflusszonen wird zunehmend militärisch ausgetragen. Das gemeinsame Interesse der Nato-Staaten liegt, unabhängig der bestehenden Differenzen, in der Stabilisierung der kapitalistischen Ordnung, dem reibungslosen Fluss von Waren und Kapital und in der gewaltsamen „Integration“ schlecht erschlossener Regionen in den Weltmarkt. Ein konsequenter Antimilitarismus muss daher auch die Ursachen von Krieg und Militarismus in den Blick nehmen. Der Kampf gegen Krieg und Aufrüstung ist unmittelbar mit dem Engagement für eine Welt jenseits der kapitalistischen Verhältnisse verbunden!
Nein zur ausländischen militärischen Intervention gegen Syrien!
Rückzug der deutschen Patriot-Raketen aus der Türkei!
Stopp aller Waffenlieferungen nach Syrien und anderswo!
Solidarität mit der syrischen Bevölkerung und den fortschrittlichen Kräften!
Hoch die internationale Solidarität!
NoWar Berlin, September 2013