Die Stuttgarter Polizei hat heute alles getan, um den Revolutionären 1.Mai zu verhindern. Das gelingt ihr nicht vollständig – zumindest nicht ohne gehörigen Widerstand!
Schon die DGB-Demo wird schikaniert. Ein Großaufgebot der Polizei behindert die revolutionäre 1.Mai-Demonstration und greift sie mehrfach an. Ca. 700 Teilnehmer:innen versuchen sich dennoch die Straße zu nehmen. Das Versammlungsrecht wird faktisch ausgehebelt. Offensive Momente am Ende.

Antikapitalistischer Block – Ein Vorgeschmack

Der Tag begann mit der traditionellen 1.Mai-Demonstration des DGB am Marienplatz. Sowohl in Stuttgart, als auch in Waiblingen hatten linke Gruppen, klassenkämpferische Gewerkschafter:innen und Betriebsgruppen zu einer antikapitalistischen Beteiligung aufgerufen. In Waiblingen hielt sich die Polizei zurück, Gewerkschafter:innen, Kommunist:innen und andere Linke konnten selbstbestimt an unserem Tag auf die Straße. In Stuttgart hingegen zeigte die Polizei von Beginn an massiv Präsenz und lief über weite Strecken Spalier neben dem antikapitalistischen Block. Die erste Möglichkeit nahmen sie zum Anlass, den Block zu stoppen. Der Vorwand: zwei Rauchtöpfe – etablierter Bestandteil gewerkschaftlicher Streik- und Demokultur. Außerdem störte sich der Einsatzleiter Jens Rügner – kein Witz! – an einer „Papierwand“. Diese, bemalt mit Symbolen des Kapitalismus, wollte die Demo offenbar einrennen. Grund genug für die Polizei etwa dreiviertel der DGB-Demo über eine halbe Stunde festzuhalten. Letztlich mussten die linken Gewerkschafter:innen sich ihr Recht am Arbeiter:innenkampftag auf die Straße zu gehen wieder erkämpfen. In Folge von Rangeleien – bei denen über 30 Personen durch Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt wurden – konnte der Antikapitalistische Block und mit ihm der Rest der Demo weiterziehen. Im Zuge des Angriffs auf den antikapitalistischen Block solidarisierten sich andere Teile der Demo. Die Polizei verließ die Demo allerdings nicht, gegen Ende griffen vermummte BFE-Einheiten sogar noch zwei Leute aus der Demo – gewalttätig zwar, aber letztlich ohne überhaupt richtige Tatvorwürfe nennen zu können.

In Waiblingen hingegen wurde bei einer Transpiaktion das Motto von Perspektive Kommunismus „Krise, Krieg, Klimakollaps – Revolutionäre Gegenmacht aufbauen“ aufgegriffen, um zur revolutionären Demo nach Stuttgart zu mobilisieren.

Revolutionäre Demo

Die 20. Stuttgarter Revolutionäre 1.Mai-Demonstration in Folge startete im Anschluss mit etwa 700 Teilnehmer:innen am Schlossplatz. Zu Beginn redeten eine iranische Kommunistin und die Vernetzung kämpfender revolutionärer Parteien aus der Türkei und Kurdistan HBDH. Danach sollte die Demonstration eigentlich auf ihrer angemeldeten Route beginnen. Zwei Reihen behelmter Cops und weitere mit Pferden verhinderten das aber zunächst. Der Vorwand diesmal: Die Seitentransparente dürften nicht länger als 1,5 m (!) sein. Außerdem störten sie sich an vereinzelt getragenen medizinischen Masken. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Polizeiführung nie vor hatte die Demo laufen zu lassen.
Um sich dennoch das Recht zu nehmen am 1.Mai für eine Perspektive jenseits des Kapitalismus auf die Straße zu gehen, versuchte die Spitze der Demo auf die angemeldete und genehmigte Route durchzubrechen. Als nach kurzer Zeit sichtbar wurde, dass den Pfeffer- und Prügelattacken zwar halbwegs standgehalten werden konnte, hier aber kein Durchkommen war, startete das andere Ende der Demo auf die Königstraße Richtung Rotebühlplatz. Die ersten Cops, die wieder sofort zu prügeln und pfeffern begannen, konnten noch zur Seite geschoben werden, die Verstärkung stoppte aber auch hier den Versuch sich selbstbestimmt die Straße zu nehmen.
Auf der breiten Königstraße konnten die Bullen teils noch einige Meter weiter geschoben werden und auch Festnahmen wurden durch entschlossenes Auftreten verhindert, mehr war letztlich der polizeilichen Übermacht gegenüber nicht möglich.
Auf das vergiftete Angebot der Einsatzleitung, die Demo ganz ohne Seitentransparente normal laufen zu lassen, wurde dann doch eingegangen. Die Folge waren Festnahmen im hintern Bereich der Demonstration nach wenigen hundert Metern am Karlsplatz. Eine große Einheit der BFE-Schläger konnte hier zwar wieder aus dem Nahbereich der Demo verdrängt werden, an eine Fortsetzung unter ständigen gewalttätigen Angriffen und Festnahmen war aber nicht zu denken. Nachdem noch ein aufgenommenes Grußwort der politischen Gefangenen Jo und Findus abgespielt wurde, beendete eine vermummte Rede der Revolutionären Aktion Stuttgart daher mit nochmal ordentlich Pryo die revolutionäre 1.Mai Demonstration 2023. Die Rednerin betonte dabei, dass trotz Repressionen, trotz dem Ausmaß der Krisen mit denen der Kapitalismus uns bedroht, kein Grund besteht den Kopf in den Sand zu stecken. Der Aufbau revolutionärer Gegenmacht, sei noch nie einfach gewesen und zeichne sich gerade dadurch aus, auf veränderte (Kampf-)Bedingungen zu reagieren. Auch die Geschichte der fast 20 Jahre revolutionärer Mobilsierungen in der Region, sei Inspiration sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen.

Kein Ende der Schikane

Nach dem Ende der Demo, hörten die Schikanen noch lange nicht auf. Mit kopf- und sinnlosen Prügelattacken versuchten die Staatsdiener zu verhindern, dass die Teilnehmer:innen den U-Bahnhof Charlottenplatz erreichten. Die Rangeleien zogen sich wieder 15 Minuten oder mehr hin. Gemeinsam und entschlossen setzten die Genoss:innen durch, zusammen und nicht einzeln, wie von wildgewordenen Truppführern gefordert, Richtung U-Bahn zu kommen.

Das rote Heslach hasst die Polizei!

Ein großer Teil zog schließlich mit einer Spontandemo die letzten Meter zum internationalistichen Straßenfest am Linken Zentrum Lilo Herrmann. Ein Trupp behelmter und vermummter Bullen wollte sich auch hier wieder nicht nehmen lassen provokativ zu filmen. Als die Cops kurz vor dem Lilo begannen Leute zu schubsen, immer aggressiver wurden und schließlich wieder zu peffern und knüppeln begannen, wurde der Spieß umgedreht: Die Demo drängte die übereifrigen Helmträger wieder 100 Meter vom Lilo weg. Auch als nach kurzer Zeit massiv Verstärkung eintraf, kam keine Panik auf. Nach einiger Zeit zogen sich die Genoss:innen langsam, geschlossen und geordnet in Richtung Fest zurück.

Vorläufiges Fazit

Die Repression gegen die revolutionäre und antifaschistische Linke hat die letzten Jahre stark zugenommen. Bundesweit, aber besonders auch in der Region Stuttgart. Nach Haftstrafen und kleineren durch die Polizei verhinderten Demos, setzte sich diese Linie nun auch am 1.Mai fort. Die Vorbereitung, der Grad der Organisation und die Entschlossenheit der Aktivist:innen konnten einen vollen Erfolg der Polizei verhindern, zumindest Momente des Widerstands und am Schluss sogar den einer kleinen Offensive schaffen.
Ansonsten gilt: Der 1.Mai ist seit seiner Enstehung als Kampftag der Arbeiter:innenklasse mit Repression und Gewalt konfrontiert. Oft auf einem ganz anderen Niveau. Die Repression ist Teil des Klassenkampfs von oben, die Polizei ihr willfähriges Mittel. Eine unterdrückte Klasse die beginnt ihre eigenen Interessen zu formulieren und für sie zu kämpfen, wird immer mit der Gewalt der Herrschenden zu konfrontiert sein. Das gilt auch für uns, die noch lange keinen großen Teil der Klasse erreichen. Unser Erfolg wird sich letztlich nicht daran bemessen, ob der Gegner uns angreift, sondern wie wir es schaffen damit umzugehen. Und so bleibt der 1.Mai weiterhin Kampftag – auch im nächsten Jahr! Und alle anderen Tage an denen wir auf die Straßen gehen, gegen Krieg und Faschismus, für Frauenbefreiung, Klimagerechtigkeit und Kommunismus!

Quelle: Revolutionäre Aktion Stuttgart